Eine wahre Geschichte zur Gründungsberatung und zum echten Unternehmergeist
Als das Telefon an diesem Morgen läutet, habe ich mein Brötchen noch nicht ganz zu Ende gekaut. „Lambert Schuster“, brummele ich mit den letzten Krümeln zwischen den Zähnen in den Apparat. „Mein Name ist Halil. Kannst Du Businessplan machen?“, fragt eine männliche Stimme mit unverkennbar ausländischem Akzent ohne Umschweife. „Ja“, gebe ich wahrheitsgemäß zu. Halil wird konkreter: „Du mir machst Businessplan?“ „Nein“, sage ich ebenso wahrheitsgemäß. Und noch bevor ich das erläutern kann, poltert mein Gesprächspartner: „Du können Businessplan! Ich gebe Dir Geld. Warum willst Du nicht machen Businessplan für mich?“ Ich erkläre: „Businesspläne schreiben, das kann ich sehr wohl! Aber es ergibt keinen Sinn, wenn ich für Sie einen Businessplan schreibe. Sie werden sich nicht damit identifizieren. Das ist dann nicht Ihr Businessplan. Für Ihr zukünftiges Unternehmen sollten Sie selbst Ihren Businessplan schreiben. Ich ertüchtige Sie lediglich, ich coache Sie und helfe Ihnen.“ Halil versteht das und schlussfolgert ohne langes Tamtam: „Okay, dann ich muss selber machen. Du mir dabei helfen!“
So kam es zu einer spannenden Gründungsberatung, in deren Verlauf ich einen sehr engagierten Unternehmer kennen lernen durfte, von dessen Schlag es nur wenige gibt. Sein Motto: „Einfach mal machen!“ Wir vereinbarten unser erstes „Rendezvous“.
Das erste Treffen in der Gründungsberatung
Wir fanden uns auf Anhieb unsympathisch. Ich darf das so sagen, denn zum einen beruhte es auf Gegenseitigkeit, und zum anderen ist das längst Geschichte. Nun gut, dachte ich, Zähne zusammenbeißen und durch. Halil setzte alles daran, mich von seinen überragenden Fähigkeiten als Unternehmer zu überzeugen. Ich hingegen wollte zügig mit der eigentlichen Gründungsberatung, sprich mit der Arbeit an der Finanzplanung und an dem Businessplan anfangen. Das war nicht leicht, denn Halil kam immer wieder vom Thema ab und ließ sich gerne von seinem Smartphone unterbrechen. Ich war genervt. Doch allmählich kam Sympathie auf und wir fassten Vertrauen. Ich stellte überrascht fest, dass Halil, wie selten jemand in meiner Beratung, geradezu zum Unternehmer geboren ist. Seine ganze Familie (wir einigten uns auf „Sippe“) unterstützte sein Gründungsvorhaben, für das er mich als Partner für die Gründungsberatung gewählt hatte.
Halil hat eine klare Vision: Er will eine Hotelkette im mittleren Qualitätssegment zu günstigen Kosten errichten, zunächst im Raum Köln, dann in NRW und weiter in Deutschland. Inzwischen sind 15 Monate vergangen. Halil führt jetzt drei Hotels in der Kölner Region. Die Übernahme eines weiteren Hotels steht an.
Halil: Zum Unternehmer geboren
Halil ist Mitte 30, stammt aus der Türkei und lebt seit 15 Jahren in Deutschland. Er und seine Brüder haben solide Jobs. Aber alle kümmern sich in der Freizeit um die Arbeiten, die in den Hotels anfallen. Jeder auf seine Art. Einzig Halils Vater steht Vollzeit zur Verfügung. Wie in jeder Familie gibt es interne Spannungen, aber in einem sind sich alle einig: Halil gibt den Ton an.
Seine Vision von den „Mittelklasse-Hotels zu günstigen Preisen“ ist stark. Um sie zu realisieren, mietet er zunächst ein Hotel an und betreibt es als Flüchtlingsunterkunft. Die ganze Familie hilft mit. Ein Gemeinschaftsraum wird eingerichtet, gemeinsame Abende veranstaltet, Streitigkeiten geschlichtet. Und bei Behördengängen stehen Halil und seine Familie den Flüchtlingen ebenfalls zur Seite. Es dauert nicht lange, und die Kommunalverwaltung bekommt Wind davon, dass hier eine faire Unterkunft für die zeitweise Aufnahme von Flüchtlingen zur Verfügung steht. Noch dazu mit einer unkonventionellen persönlichen Unterstützung. Das Flüchtlingsheim ist immer voll belegt. Da die Familienmitglieder ihren Lebensunterhalt als Angestellte verdienen, sind die Betriebskosten gering. So ist schnell genug Eigenkapital angespart, um mit der Hausbank den Kauf des zweiten Hotels zu finanzieren.
Das klingt alles zu schön, um wahr zu sein? Nicht für Halil, den Macher, den Unternehmer aus Leidenschaft. Umso überraschter ist er, als seine Bank für den Erwerb eines dritten Hotels nun ein überzeugendes Geschäftskonzept mit Businessplan verlangt. Aber Halil hält sich nie lange mit Wiesos und Weshalbs auf, er macht es einfach. Oder sucht sich jemanden, der ihm hilft.
Und so kam ich ins Spiel. „Kannst Du Businessplan machen?“, hatte er mich gefragt. Also legten wir los.
Die Entstehung des Businessplans
Ich hatte zunächst nicht damit gerechnet, aber wir kamen gut voran. Im Gegensatz zur klassischen Gründungsberatung arbeiteten wir zuerst an der Finanzplanung. Wie waren die Erwartungen hinsichtlich der Belegung des Hotels? Wie stand es um Rentabilitätsrechnung, Liquiditätsrechnung, Finanzierung und um die Sicherstellung erträglicher Gewinne, auch zur Abzahlung der Darlehensverpflichtungen bei der Bank? Halil arbeitete engagiert mit, ich war begeistert über die Kennzahlen, die er zum Hotelwesen parat hatte. Auf alle Fragen hatte er die richtigen Antworten, und ich trug nur noch die Zahlen in der Finanzplanung ein. Er verfolgte alles aufmerksam, stellte an den richtigen Stellen die richtigen Fragen und verstand das komplizierte Zahlenwerk auf Anhieb.
Schnell war die Finanzplanung erstellt. Aber nun musste ein 20-seitiges Geschäftskonzept zum Businessplan geschrieben werden.
Eine klare Sache für Halil, der beschied: „Die Finanzplanung ist fertig. Jetzt Du kannst schreiben Text zum Businessplan.“ Erneut musste ich ihm widersprechen. „Warum Nein?“, zeigte er sich ehrlich entrüstet und fuhr fort: „Du hast Zahlen und kannst Businessplan schreiben!“ „Nein“, wiederholte ich, „das müssen Sie selbst schreiben. Es ist Ihr Businessplan, Ihr Geschäftskonzept, wie Sie das Hotel betreiben wollen. Wenn ich das schreibe, werden Sie sich damit niemals identifizieren!“ „Na gut“, lenkte er schnell ein, „Dann ich muss selbst machen!“
Fragen Sie nicht, wie er es gemacht hat, ich weiß es bis heute nicht, aber es dauerte nur wenige Tage und Halil legte einen ausgezeichnet geschrieben Text zum Businessplan vor, welchen man überzeugend bei der finanzierenden Bank vorlegen konnte. In der Sippe gibt es halt immer jemanden, der oder die…
Pflastersteine und Mexikanische Döner
So hilft man sich eben. Und man macht es einfach. Langes Nachdenken, zweifeln, die Vor- und Nachteile abwägen – damit halten sich Halil und seine Sippe nicht zu lange auf. Wie bei der Geschichte mit den Pflastersteinen.
Vor 15 Jahren kam Halil auf die Idee, sein Geld mit der Verlegung von Pflastersteinen zu verdienen: „Ich wollte Pflastersteine verlegen. Keine Ahnung, wie Pflastersteine verlegt werden. Aber ich hatte einen guten Freund. Ich habe in der Nacht tausend Faxe an Straßenbauunternehmen geschickt. Nächsten Tag, ich hatte drei Aufträge. Freund und Kollege hat gemacht die Arbeit. Zunächst ganz einfache Aufträge. Dann wir bekamen einen schwierigen Auftrag. Keine Ahnung, wie diese Pflastersteine verlegt werden müssen. So wir sind rausgeflogen. Sechs Monate später wir hatten gelernt wie Pflastersteine für schwierige Aufträge richtig verlegt werden. Ich habe das Straßenbauunternehmen wieder angerufen und neuen Auftrag erhalten. Jetzt wir hatten guten Namen für die Verlegung von Pflastersteinen.“
Oder die Sache mit dem mexikanischen Döner. Halil: „Eines Tages hat mir ein Freund erzählt, er will in München eine Dönerbude eröffnen. Ich sage: ‚Du nicht machen Döner! Döner sind out!‘ – Er fragt: ‚Was ich soll machen?‘ Und ich: ‚Du musst machen mexikanische Döner. Mexikanische Döner sind in!‘ Er sagt: ‚Okay, aber Du mir sagen, wie ich mache mexikanische Döner!‘“
Halil bekennt: „Ich hatte keine Ahnung, wie man macht mexikanische Döner. Aber ich kannte Kollegen in Köln. Der macht mexikanische Döner. Immer ganz lange Schlange vor Dönerbude. Ich bin zu Kollegen und gefragt nach Rezeptur für Sauce für mexikanische Döner. Er mir will nicht sagen. Das ist Geheimrezept des Hauses. Nächsten Tag ich habe mich im Auto vor Dönerbude gestellt. Stundenlang habe ich gewartet. Immer ganz lange Schlange vor Bude mit mexikanischem Döner. Am Nachmittag Chef kommt raus und fährt mit Auto in den Süden von Köln. Ich hinterher. Er fährt schnell. Ich habe ihn verloren aus Augen. Ich gedacht, er fährt in Kölner Großmarkt. Ich dorthin. Wie ich ankomme, er kommt raus mit zwei Eimern. Ein Eimer mit roter Sauce und ein Eimer mit gelber Sauce. Ich kenne Geschäft, das verkauft gelbe und rote Sauce. Ich dorthin und erkläre, dass ich will kaufen dieselbe gelbe und rote Sauce wie Chef gerade gekauft hat. Diese Sauce habe ich gegeben meinem Freund. Jetzt, drei Monate später, er betreibt erfolgreiche Bude in München mit mexikanischen Dönern. Immer ganz lange Schlange vor Dönerbude!“
Das nenne ich Unternehmertum! Eine Idee verfolgen, ausharren, Geduld haben, erfolgreiche Konzepte nachmachen, sich nicht bange machen lassen, das Ziel im Blick behalten, kreativ sein, sich verbessern, Rückschläge wegstecken können – Halils Geschichte und Geschichten sind ein wahres Lehrstück in Sachen Unternehmertum. Vielleicht sollte Halil selbst in die Gründungsberatung einsteigen…?
Halil, ein Unternehmer wie er selten zu finden ist
Zum weiteren Verlauf der Gründungsberatung, zum Hotel-Geschäft und zu dessen Entwicklung will ich mich nicht weiter äußern. Es gab trotz aller Erfolge auch immer wieder Rückschläge. Die Banken wollten nicht so recht, ständig lief irgendetwas schief. Und dennoch steht heute das vierte Hotelobjekt zum Kauf an. Was mich besonders beeindruckt, ist, dass Halil niemals aufgegeben hat und, da bin ich sicher, auch niemals aufgeben wird. Er ist auf dem besten Weg und verdient gemeinsam mit seiner Sippe gutes Geld. Er glaubt an seine Vision, eine erfolgreiche Hotelkette im Mittelstand aufzubauen. In der ganzen Zeit der Gründungsberatung haben mich – trotz unserer Anlaufschwierigkeiten – seine starke Willenskraft und seine kraftvolle Vision mitgerissen. Halil wird seine Vision umsetzen! Die Gründungsberatung ist mittlerweile vorbei. Heute sind wir gute Freunde und pflegen regelmäßig Kontakt.
(Bilder: Fotolia © MariusdeGraf | © Artalis | © Edgar Monkey | © Kzenon | © Minerva Studio)