Insolvenz vermeiden durch Organisationsentwicklung?

Gastbeitrag zur Vermeidung von Insolvenzen durch Organisationsentwicklung
von Dr. Guido Vogt, 
http://www.cvdcp.de/

Fast 30.000 Unternehmen haben im Jahr 2012 Insolvenz angemeldet

 

Quelle: statista
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Hätte ein interner Wandel mit Hilfe der Organisationsentwicklung die Firmen retten könnten? Welche Risiken bestehen beim Einsatz von Maßnahmen der Organisationsentwicklung?

Gründe für Insolvenzen

Wenn Unternehmen Insolvenz anmelden, sind die Gründe entweder Managementfehler oder  externe Faktoren. Einen Einblick in die Zusammenhänge liefert eine Befragung von 125 Insolvenzverwaltern (aus dem Jahr 2006), die zusammen mehr als 19.000 Insolvenzen bearbeiten (Ursache von Insolvenzen). Die Befragten sehen externe Faktoren wie schlechte Zahlungsmoral von Kunden (81 % eine bürokratische Anwendung des Arbeits- und Sozialrechts (81 %) oder Management-Fehler wie fehlendes Controlling (79 %) als wichtige Ursachen für Unternehmensinsolvenzen.

Pleite durch Aussitzen

Ein weiterer Hauptgrund für das Scheitern von Unternehmen ist, nach Meinung der befragten Insolvenzverwalter, auch das Unterlassen von Veränderungsmaßnahmen: 96 % der Befragten vertraten die Meinung, die Unternehmen hegten die Hoffnung, „es werde irgendwie von selbst wieder aufwärts gehen“ (vgl. Euler Hermes Kreditversicherung / ZIS 2006, S.7). Doch diese Politik des Stillhaltens und Abwartens erwies sich am Ende offenbar als fatal. Hätte ein gezielt gesteuerter Wandel im Unternehmen das Unheil abwenden können?

Wandel als Tagesgeschäft

Veränderungen der Wettbewerbssituation, technologischer Fortschritt, neue Vorstellungen von Arbeit und Freizeit in der Gesellschaft: Unternehmen agieren in einem ständig wechselnden Umfeld. Der Umgang mit Veränderungen, Anpassungen und Wandel ist keine Ausnahme, sondern die Regel. Laut v. Rosenstiel/Comelli (2003, S. 1) gibt es in Unternehmen heutzutage mehr Phasen des Wandels als Phasen der Stabilität.

Wandel gestalten und Gewinne erhöhen

Das Ziel der Firmen ist, einerseits weiter am Markt zu überleben und andererseits die Gewinne noch zu erhöhen. Um den internen Wandel bewusst, zielgerichtet, akzeptanzorientiert und mit geringstmöglichem Aufwand zu gestalten und dabei mögliche negative Auswirkungen zu vermeiden, verwenden die Firmen unterschiedliche Methoden des „Management of Change“. Eine davon ist die Organisationsentwicklung.

Organisationsentwicklung: Wurzeln

Die Organisationsentwicklung als Konzept zur Begleitung des Wandels in Organisationen (also Unternehmen, Verwaltungsbehörden, Interessenverbände, Non-Profit-Organisationen usw.) entstand Mitte der 1950er Jahre in den USA. In Deutschland wurde die Organisationsentwicklung ab den 1970er Jahren mit der Einführung des Betriebsverfassungsgesetzes und verschiedener Projekte der Bundesregierung zur „Humanisierung der Arbeit“ bekannt.

Team aus verschiedenen Arbeitern und einigen Ingenieuren

Organisationsentwicklung: Kern-Idee

Die Kern-Idee der Organisationsentwicklung stammt aus der sogenannten Human Relations-Bewegung der 1950er Jahre. Sie lautet: ein konfliktfreies Arbeitsklima ist eine wichtige Voraussetzung für hohe Produktivität. Bürokratie, Hierarchie und Machtkämpfe verhindern dagegen das effiziente Funktionieren von Organisationen. Wenn Weisungen nur von oben kommen und das Wissen und die Wünsche einfacher Mitarbeiter nicht berücksichtigt werden, sinkt die Erfolgswahrscheinlichkeit einer Organisation (vgl. Boos/Heitger/Hummer 2005, S.8).

Organisationsentwicklung: Methoden

Bei den Methoden der Organisationsentwicklung stehen die Selbstverwirklichung und die Interessen der Mitarbeiter im Zentrum. Ziel von Wandel im Sinne der Organisationsentwicklung ist: Hierarchien abbauen und mehr Menschlichkeit einführen, um so effizienter zu arbeiten. Dazu müssen die Strukturen von Organisationen ebenso wie die Verhaltensmuster, Einstellungen und Fähigkeiten der Organisationsmitglieder verändert werden. Zentral ist die Kommunikation untereinander bzw. die Beseitigung von Kommunikationshindernissen. Kommunikation und Partizipation dabei werden als Mittel zur Veränderung gesehen. Das zentrale Prinzip lautet: „Betroffene zu Beteiligten machen“ (vgl. Trebesch / Minx 2011, S.21f).

Risiken der Organisationsentwicklung

Kritiker merken an, dass Effizienz und Menschlichkeit tendenziell unvereinbar seinen (ebenso wie Effizienz und Kreativität). Der Mitarbeiterfokus der Organisationsentwicklung könne möglicherweise zu einem Verlust an Ergebnisorientierung führen. Die konsensorientierte Partizipation bringe die Gefahr mit sich, den Unternehmens-Gewinn zu schmälern. Zudem  könne es zu Machtkämpfen zwischen dem Management und kritischen Mitarbeitern kommen. Insbesondere bei Krisen, Sanierungen, Mergerprozessen oder Strategieerneuerung seien dagegen schnelle Top-Down-Entscheidungen erforderlich. In Chancen und Risiken der Organisationsentwicklungeinem dynamischen Marktumfeld sei die Organisationsentwicklung daher eine zu langsame und aufwendige Form der Steuerung. Darüber hinaus werden externen Beratern mit dem Schwerpunkt Organisationsentwicklung zwar Kenntnisse bei der Steuerung von gruppendynamischen Prozessen zugestanden, beim betriebswirtschaftlichen Expertenwissen vermutet man aber Mängel (vgl. Boos/Heitger/Hummer 2005, S. 8ff).

Chancen der Organisationsentwicklung

Tatsächlich ist die Organisationsentwicklung mit Ihrem Fokus auf Produktivität und Menschlichkeit weniger auf kurzfristiges Krisenmanagement als auf einen langfristigen Wandel angelegt. Ihre Chance besteht in der generellen Motivation von Mitarbeitern bzw. beim Akzeptanzgewinn für den Wandel durch Partizipation. Die Organisationsentwicklung bietet eine Perspektive zur Weiterentwicklung der Unternehmenskultur, indem sie bestehende Wertmuster in Frage stellt und eine bessere Kommunikation zwischen den Hierarchie-Ebenen zulässt. Dass allerdings in Krisensituationen Top-Down-Entscheidungen immer das geeignete Mittel sind, ist fraglich: Bei der Euler Hermes Studie machen 57 % der 125 befragten Insolvenzverwalter eine autoritäre oder rigide Führung für das Scheitern von Unternehmen verantwortlich (vgl. Euler Hermes Kreditversicherung / ZIS 2006, S.7).

Literatur:

  • Boos, Frank / Heitger, Barbara / Hummer, Cornelia (2005): Systemische Beratung im Vergleich. Zeitschrift für Organisationsentwicklung ZOE, Nr. 1 S. 4-15, Düsseldorf
  • v. Rosenstiel, L. / Comelli, G. (2003): Führung zwischen Stabilität und Wandel, München
  • Trebesch, Karsten / Minx, Eckard (2011): Die Organisationsentwicklung. Von der Hoffnung des Verstehens zur Steuerung von Systemen. Zeitschrift für Organisationsentwicklung  ZOE Nr 4. Düsseldorf, S. 21/22

(Fotos: Pixelio.de © Gerd Altmann | © Rainer Sturm | Fotolia © Pixel | © Robert Kneschke
Fotoauswahl von Lambert Schuster)

Autor:

Dr. Guido Vogt
Consulting / Marketing / Videoproduktion
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