Gastbeitrag von Daniela Schulte, Schulte Unternehmensberatung
Das heutige Thema basiert auf einer Fallstudie aus einem Unternehmen, das in hartem internationalem Wettbewerb stand. Es betrifft einen wichtigen, wenn nicht DEN entscheidenden Erfolgsfaktor dieses Unternehmens und passt damit wunderbar in diese Reihe über den unternehmerischen Erfolg. Genauso gut könnte dieses Thema aber auch die kleine Serie über unternehmerische Risiken ergänzen, denn die Anzahl der Betriebe, die durch falsche Preispolitik gescheitert sind, ist ebenfalls immens.
Preispolitik: Preiserhöhung oder Preissenkung?
Dass die richtige Preispolitik den Gewinn oder Verlust eines Unternehmens massiv beeinflusst, ist kein Novum. Fast jeder kennt Modellrechnungen, in denen eine kleine Preiserhöhung um wenige Prozent zu einer Verdopplung des Gewinns führt – oder so ähnlich. Auch an Ratschlägen, wie man diese Erhöhungen möglichst geschickt durchsetzen soll, herrscht kein Mangel. Die meisten dieser Modelle haben aber einen Haken, denn sie beschäftigen sich fast ausschließlich mit Preiserhöhungen. Nahezu niemand kümmert sich um das Gegenteil, um drastische Preissenkungen.
Dabei ist dieses Szenario viel wahrscheinlicher – ein neuer Konkurrent erscheint im Markt, der die Preise erst einmal kräftig nach unten drückt und die Kunden zu sich hinüberzieht. Jeder, der in den letzten Jahren mit neuen Wettbewerbern (oft aus dem Ausland) zu tun bekam, kennt dieses Problem bestens.
Hier zeigen sich bereits große länderspezifische Unterschiede in der Unternehmensphilosophie: Während die Deutschen meistens versuchen, mit Qualität zu punkten, um die Preise möglichst hoch zu halten und den Gewinn pro Stück zu maximieren, gehen vor allem viele Asiaten von vornherein mit Kampfpreisen in den Markt, um die größte Masse abzusetzen. Dass diese Preispolitik nicht falsch sein muss, zeigen die letzten Jahrzehnte – viele fernöstliche Anbieter, die noch vor zehn, zwanzig Jahren völlig unbekannt waren, haben mittlerweile große Marktanteile erobert. Was also sollte man in einer solchen Situation tun?
In der gleichen Lage befand sich das oben genannte Unternehmen, ein Hersteller von biotechnologischen Dienstleistungen. Der Vertrieb lief zum großen Teil über Internet-Suchmaschinen. Eines Tages musste das Unternehmen feststellen, dass mehrere chinesische Anbieter plötzlich die gleichen Services anboten – zu Kampfpreisen, die teilweise 20-30 % unter den eigenen Preisen lagen. Zwar sahen die Websites nicht sehr professionell aus und die Bedingungen in den chinesischen Laboren konnte man nur erahnen, doch der Preisvorteil reichte, um einen substanziellen Teil der Kunden zur Abwanderung zu bewegen. Innerhalb weniger Monate musste der Betrieb einen herben Umsatzeinbruch verkraften. Erste Gegenmaßnahmen im Rahmen der Preispolitik wie zeitlich begrenzte Rabatte oder das Bewerben der „guten“ deutschen Qualität brachten keine längerfristige Besserung. Das Management musste zusehen, wie jahrelange gute Kundenbeziehungen in wenigen Monaten austrockneten und – zu allem Unglück –die Kunden mit der chinesischen Qualität nicht unzufrieden schienen.
In dieser Situation rang sich das Management zu folgender Erkenntnis durch: Wenn wir unsere Preise nicht hoch halten können und auch unsere „bessere“ Qualität nur einen Teil der Kunden überzeugt, uns die Treue zu halten, dann gibt es nur einen Weg: Wir müssen das Preisniveau der Konkurrenz „matchen“, die Preispolitik der Preissenkungen also mitgehen.
Dieser Entschluss wurde im Folgenden rigoros umgesetzt: Die Preise der Konkurrenz wurden auf den Cent genau kopiert und umfangreich als Dauertiefpreise beworben. Zugleich wurden die Angebote der Wettbewerber sehr eng – täglich – im Internet beobachtet. Bei weiteren Preissenkungen konnten die eigenen Preise dadurch unverzüglich mit angepasst werden.
Zum anderen wurde massiv in die Rationalisierung der Produktion investiert. Prozessoptimierung, Robotik und massiver Ausbau der Softwareunterstützung erlaubten es, die Produktionskapazitäten zu erweitern und die Stückkosten deutlich zu senken. Man hoffte, den geschmälerten Gewinn pro Stück über die schiere Menge auffangen zu können.
Was hier kurz berichtet wird, dauerte in Wirklichkeit Jahre. Das Unternehmen entwickelte sich mit seiner Preispolitik zum Weltmarktführer in seinem Segment – bis heute. Die alten Kunden kamen zurück, und viele neue kamen hinzu. Es zeigte sich, dass bei exakt gleichen Preisen die Kunden fast immer zu diesem Unternehmen statt zum asiatischen Konkurrenten tendierten, denn sie bekamen die „gute deutsche Qualität“ ja sozusagen gratis dazu. Die Konkurrenz versuchte einige Male, die Preise weiter zu senken. Nachdem das Unternehmen aber jedes Mal direkt nachzog, wurden die Versuche nach zwei bis drei Runden aufgegeben. Heute sind die meisten der damaligen chinesischen Konkurrenten aus dem Markt ausgeschieden oder haben sich anderen Bereichen zugewandt.
Die Preispolitik der Niedrigpreise half auch später: Eines Tages trat ein neuer Konkurrent aus den USA in den Markt ein, der mit vielen Millionen Dollars von den führenden kalifornischen Wagnisfinanziers unterstützt wurde. Auch dieser Anbieter versuchte es mit einer Preispolitik von Kampfpreisen, und auch dieses Mal musste der Konkurrent nach zwei Jahren aufgeben, als ihm das Geld ausging. Ergänzen muss man an dieser Stelle, dass das deutsche Unternehmen in jedem Jahr profitabel arbeiten und den Gewinn sogar erheblich steigern konnte.
Fazit:
Diese Fallstudie soll zeigen, dass man keineswegs immer die Preise erhöhen muss, um erfolgreich zu sein – manchmal ist genau das Gegenteil richtig, in vielen Fällen sogar überlebenswichtig. Und auch wenn eine solche Entscheidung zunächst vielleicht zähneknirschend erfolgt, kann sie langfristig zu großem Erfolg führen. Viele Beispiele von Aldi über Ryanair bis zu Ikea bestätigen dies. Allerdings ist eine Preispolitik der Niedrigpreise nur die eine Seite der Medaille – sie funktioniert nur, wenn auch die Produktions- bzw. Kostenseite gleichermaßen optimiert werden kann. Auch dies wird durch einen Blick auf Aldi & Co bestätigt.
(Fotos: © Clipart | © Daniela Schulte)
Daniela Schulte
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