Ohne Fordern kein Fördern, ohne Fördern kein Fordern.
Mitarbeiter muss man kontinuierlich fördern – sagen die einen. Man muss die Mitarbeiter dauernd fordern – sagen die anderen. Beide haben Recht, denn um Mitarbeiter bei der Stange, sprich, im Unternehmen zu halten, ist das Fordern genauso wichtig wie das Fördern. Doch was kommt eigentlich zuerst – Fordern oder fördern? Geht auch beides gleichzeitig? Kann man durch Fordern fördern? Und wie sieht es aus, wenn Mitarbeiter etwas fordern, aber nicht bereit sind, ihrerseits zur Förderung des Unternehmens beizutragen? Gibt es Fördern ohne Fordern, ein Fordern ohne Fördern?
Fördern und Fordern bzw. Fordern und Fördern: Kernelemente der Personalpolitik
„Im Mittelpunkt stehen unsere Mitarbeiter, die wir fördern, fordern und zu eigenverantwortlicher Arbeit ermutigen.“
(Internetseite Axel Springer)„Der Erfolg eines Unternehmens hängt von der Leistung jedes Einzelnen im Team ab. Daher fordern und fördern wir die individuellen Stärken unserer Mitarbeiter.“
(Internetseite BASF)„Wir fordern und fördern, damit wir gut gewappnet und hoch motiviert gemeinsam die Herausforderungen im operativen Tagesgeschäft wie auch auf strategischer Ebene erfolgreich meistern.“
(Internetseite LANXESS)
1. Zuerst fordern, dann fördern
Die Aufforderung, etwas zu tun, steht am Anfang jeder Beschäftigung. Dass ein Angestellter einer bestimmten Aufgabe gewachsen ist, wird – vereinfacht gesagt – durch Ausbildung und Berufserfahrung sichergestellt und in einem Bewerbungsgespräch überprüft. Das Unternehmen darf nun etwas fordern, nämlich die Erfüllung einer Aufgabe, für die der Mitarbeiter eingestellt wurde. Doch im Laufe der Zeit ändern sich die Anforderungen, das Unternehmen wächst, entwickelt Innovationen, erweitert sein Angebot, schafft neue Positionen, die es zu besetzen gilt etc. Selbstverständlich muss sich der Mitarbeiter auch mit- und weiterentwickeln, doch diese Entwicklung liegt nun nicht mehr primär in seinem persönlichen Verantwortungsbereich.
2. Zuerst fördern, dann fordern
Jetzt muss die Unternehmensführung sicherstellen, dass der Mitarbeiter den Anforderungen auch weiterhin gewachsen ist. Es gilt, den Mitarbeiter gezielt zu fördern. Denn er braucht jetzt bestimmte fachliche und persönliche Kenntnisse und Fähigkeiten, die er sich in einer Weiterbildung, einem Training, einem Coaching aneignet. Hier heißt es: „Fördern vor Fordern“?
Der aufmerksame Leser erkennt die Komplexität der Frage. Es fängt immer beim Betroffenen an. Dieser muss sich aus sich heraus fordern. Damit beginnt jedwede Weiterentwicklung. Genau in diesem Moment benötigt der Mensch, der Mitarbeiter eine Förderung. Nur fördern allein könnte auch in der Sackgasse landen. Der Impuls zur Weiterentwicklung (im Betrieb) kann von beiden ausgehen, vom Mitarbeiter wie vom Chef (und auch von den Kollegen). Am Anfang steht immer der Wille, das Wollen.
Genau deshalb tendiere ich eher zum „Fordern und Fördern“ und weniger zum „Fördern und Fordern“. Denn ein bedingungsloses Fördern kann auch verpuffen, zum Flop werden.
3. Fördern durch Fordern
Burn-out, ein Zustand, der durch permanente Überforderung eintritt, kennt inzwischen jeder. Aber – so belegen viele Studien, die in hübscher Regelmäßigkeit, aber scheinbar ohne nennenswerten Effekt zum Thema Zufriedenheit im Job durchgeführt werden – es gibt auch den umgekehrten Fall – mit ähnlichen psychischen und physischen Folgen: Bore-out, die Langeweile im Job also. Fordern? Fehlanzeige. Fördern? Mitnichten. Erst kürzlich zeigte eine Untersuchung der Universität Hohenheim im Auftrag der IG Metall Baden-Württemberg, dass jeder sechste Arbeitnehmer mit abgeschlossener Ausbildung oder abgeschlossenem Hochschulstudium für seine täglichen Aufgaben überqualifiziert ist. Wie war das noch gleich mit dem Fachkräftemangel??
Hier, um zu unserem Thema Fordern und Fördern zurückzukommen, muss das Fördern in Form des Forderns geschehen. Dass sich die Unternehmensleitung ernsthaft fragen muss, wie es zu dieser Unterforderung überhaupt kommen konnte, steht auf einem anderen Blatt. Fakt ist: Mehr qualifizierte Aufgaben, mehr Verantwortung, kurzum höhere Anforderungen sind das Mittel der Wahl, um dem Bore-out zu begegnen. Fordern um zu Fördern.
4. Fordern, ohne zu fördern
Etwas aus Reihe tritt die folgende Betrachtung zum Fordern und Fördern: Mehr Geld, ein Auto, ein neues Büro, eine teure Weiterbildung (die für den Arbeitsbereich vielleicht nicht ganz die richtige ist) … Wenn Mitarbeiter etwas fordern, dann darf man als Arbeitgeber eine Gegenleistung erwarten, der Mitarbeiter soll hier sozusagen etwas fördern, nämlich den Unternehmenserfolg. Entweder ist diese Förderung (Gegenleistung) bereits erfolgt, weil der Mitarbeiter ohne Gehaltserhöhung oder sonstige Vorteile einen neuen oder erweiterten Aufgabenbereich mit mehr Verantwortung übernommen hat.
Oder sie steht aus. Wie im Fall des Mitarbeiters eines großen Sanitärbetriebs, der seine Arbeit ordentlich verrichtet hatte, dessen Geschäftsbereich aber unwirtschaftlich geworden war und deshalb geschlossen werden sollte. Der Mitarbeiter wollte eine Gehaltserhöhung, war aber trotz seiner ungewissen Jobsituation nicht bereit, eine andere Aufgabe im Unternehmen zu verrichten. Das Angebot des Unternehmens, ihn umfassend zu schulen und auf eine neue Beschäftigung im Unternehmen vorzubereiten, ihn also zu fördern, um seinen Arbeitsplatz zu erhalten, lehnte er ab. Er zeigt sich so unflexibel, dass dem Unternehmen nichts anderes übrig blieb, als sich von ihm zu trennen. Der Mitarbeiter wollte das Unternehmen nicht fördern, sondern nur vom Unternehmen etwas fordern, ansonsten aber einfach seinen Status beibehalten.
Fazit: Fordern und Fördern müssen sich die Waage halten
Fördern und fordern, ganz gleich, wer der Fordernde und wer der Geförderte ist, funktioniert nur auf Gegenseitigkeit. Ich gebe Dir, damit Du mir gibst, ich fördere dich, damit Du meinem Fordern nachkommen kannst, ich fordere dich (heraus gebe dir aber das nötige Rüstzeug an die Hand. Wie auch immer man es dreht und wendet, Fordern und Fördern müssen sich, zumindest langfristig gesehen, im Gleichgewicht befinden. Ohne Fordern kein Fördern, ohne Fördern kein Fordern.
(Fotos: Markusschule Bornheim | Fotolia: © Kzenon | © Gernot Krautberger)
Lieber Herr Schuster, es ist vieleicht Zufall, dass ich bei diesem Thema unweigerlich an die Analogie zur „Kindererziehung“ denken muss. Ohne Fleiss kein Preis… und dennoch finde ich diesen Artikel sehr sehr zutrffend. Wenngleich wir „Erwachsenen“ doch anders als Kinder behandelt werden wollen, so ist die Dynamik in weiten Teilen einer Belegschaft genau so wie Sie es beschrieben haben. Ganz besonders wichtig ist für mich auch der beschriebene Aspekt „bored out“.