Coaches und Coaching haben Konjunktur
Haben Sie (schon) einen? Einen Coach? Lassen Sie sich regelmäßig „coachen“, also irgendwie „trainieren“? Ich meine so seelisch oder wegen der Karriere oder so? Ob ja oder nein, Coaching ist in. Das Bedürfnis nach Coaching hat enorm zugenommen. Vor allem in der Arbeitswelt.
Coaching für Führungskräfte, Coaching für Mitarbeiter, Coaching für Veränderungsprozesse … Sogar eine Fachzeitschrift für Coaching gibt es. Für jedes Problem existiert heutzutage ein Coaching und täglich werden neue ersonnen, Coachings ebenso wie Probleme – für die es dann wieder neue Coachings geben muss.
Jeder darf sich „Coach“ nennen.
Ob der dazugehörige Coach eine entsprechende Ausbildung, Qualifikation oder die nötige Erfahrung hat, sei dahingestellt. Die Berufsbezeichnung ist nicht geschützt, es gibt keine allgemeine Ausbildung oder ein Studium. Jeder darf sich Coach nennen und fortan in den Problemen und Nöten seiner „Coachees“ wühlen, um diese auf den rechten Weg zu bringen. „Die Qualität der Coaching-Angebote reicht von Scharlatanerie bis hin zu qualitativen Mindestanforderungen wie sie im Psychotherapeutengesetz festgelegt sind.“ (Wikipedia)
Coaching bis an den Rande des Wahnsinns
Ich meine: Wir coachen uns noch bis an den Rande des Wahnsinns. Wer noch kein Problem hat, entdeckt eins während des Coachings. Wer ein Problem hat, meint es ohne Coach nicht lösen zu können. Coaching ist zum festen Bestandteil unserer Arbeitswelt geworden. Coaching ist gefragt bei vielfältigen Themen wie Konflikten mit Kollegen oder mit dem Chef, bei beruflichen Sinnkrisen, Besetzung einer neuen Position, Bewältigung einer herausfordernden Aufgabe, Karriere-Coaching, Führungskräfte-Coaching, interkulturelles Coaching. Und der Coach selbst muss natürlich auch immer wieder gecoacht werden. Wir coachen und werden gecoacht – bis der Coach kommt.
Sich selbst aus dem Sumpf ziehen, kreativ über Lösungen nachdenken, sich vielleicht einfach mal Ruhe gönnen, um den eigenen Weg wieder klar vor Augen zu haben – das verlernen wir immer mehr.
Der Coach hilft – oder?
Im Arbeitsleben wird gestressten Managern mit angeblichen Defiziten bei den Softskills und gemobbten Mitarbeitern suggeriert, dass ihnen mittels Coaching geholfen werden muss, statt bessere Methoden der Personalführung und der Teambildung zu vermitteln. Executive Coaching verzeichnete im Jahr 2013 Wachstumsraten von sechs Prozent (nur mal nebenbei: die Wachstumsrate bei der klassischen Unternehmensberatung betrug gerade einmal 3,8 Prozent).
Waren früher Führungskräfte nicht gestresst und wurde unter Mitarbeitern nicht gemobbt? Doch, aber man kannte die Begriffe einfach nicht und musste sich den Herausforderungen stellen. Heute ist eben jeder ein Sieger – Coach sei Dank!
Coching kostet …
Dass das mit dem Coaching aber doch gut sein muss, sieht man an dem, was es kostet, sich von so einem Coach wieder einnorden zu lassen. Was nichts kostet, ist auch nichts. Und so reichen die Honorare der Coaches von 50 Euro pro Stunde bis zu mehreren tausend Euro für ein Tagewerk. Na ja, es geht ja schließlich um das eigene Glück, um den Unternehmenserfolg, um die Zukunft – das ist die Investition doch wohl wert, oder?
Ein guten Coach finden? Gar nicht so einfach!
Ich will hier nicht alle Coaches und alle Methoden zum Coaching verdammen und schlechtreden. Sie mögen an der einen oder anderen Stelle sinnvoll sein. Aber die inflationäre Entwicklung in dieser Branche macht mir Sorgen. Wenn es unbedingt ein Coaching sein muss, dann sollte man wenigstens gut hinsehen. Doch genau das ist gar nicht so einfach. Einer Untersuchung der Stiftung Warentest (04/2014) zufolge gibt es rund 8.000 Coaches in Deutschland, die in Sachen Beruf und Karriere beraten. Sie sollten psychologisches ebenso wie kaufmännisches Wissen vorweisen können und eine Reihe von Methoden draufhaben, um die Probleme ihrer Klienten überhaupt entschlüsseln zu können. Doch genau festgelegte Kriterien gibt es eben nicht. Selbst die 27 (!) verschiedenen Coaching-Verbände geben keine einheitlichen Voraussetzungen für Qualifizierung und Aufnahme ihrer Mitglieder vor.
Fazit: Mut statt Coach!
Unschwer zu erkennen, was ich persönlich vom Coaching halte. Als Unternehmensberater sehe ich mich aber leider selbst allzu oft in der Rolle des Coaches, als Vertrauensperson auch für die privatesten Angelegenheiten. Lösen kann ich sie nur ergebnisorientiert, oft muss ich mir sagen lassen, dass ich zu analytisch an die Dinge herangehe. Aber bitte – ich bin eben kein Coach, sondern ein Unternehmensberater und hin und wieder ein Mentor (oder doch ein Coach?). Ich kann jedenfalls nur abraten, wegen jedem Zipperlein nach einem Coach zu schreien, der einen auf etwas bringt, das man im Inneren selbst schon lange weiß. Vielleicht braucht es nur ein bisschen Mut!