So kalkulieren und erstellen Sie ein Angebot im Dienstleistungsgeschäft
Die Angebotskalkulation oder Preiskalkulation ist der Nerv eines Unternehmens. Allerdings tun sich junge Unternehmer und vor allem Dienstleister schwer damit. Eine belastbare Angebotskalkulation, die auch tatsächlich den Aufwand des Unternehmens für eine Dienstleistung widerspiegelt und noch dazu einen vernünftigen Gewinn vorsieht, findet man selten. Im Gegenteil: Als Berater im Gründercoaching und in der Gründungsberatung erlebe ich es immer wieder, dass Angebote quasi „aus dem Ärmel geschüttelt“ werden, ohne dass der Unternehmer die für den potenziellen Auftrag entstehenden Kosten berücksichtigt, geschweige denn alle Kosten in die Angebotskalkulation mit einbezieht, die der Betrieb des Unternehmens immer mit sich bringt.
Doch keine Sorge: Wenn man einmal den Weg der Angebotskalkulation für Dienstleistungen bis hin zur Angebotserstellung kennt, wird es künftig ganz leicht, verlässliche Angebote abzugeben, die auch noch Spielraum für Verhandlungen lassen.
Am Beispiel der Agentur „Grafik-Design-Büro Michael Friedrichs“ zeige ich Ihnen Schritt für Schritt, wie Sie Ihre Angebotskalkulation für Dienstleistungen durchführen. Dieser Angebotsprozess ist auf viele Dienstleistungsunternehmen und auch auf Selbstständige übertragbar.
Angebotskalkulation für Dienstleistungen
Herr Friedrichs hat gerade das „Grafik-Design-Büro Michael Friedrichs“ gegründet. Er hat eine feste Mitarbeiterin eingestellt, die er 38,5 Stunden pro Woche beschäftigt. Darüber hinaus arbeitet er mit einem Freelancer, der nach Stunden bezahlt wird und mit dem er einen Rahmenvertrag über 50 Stunden im Monat geschlossen hat. Die junge Agentur erhält kurz darauf eine Anfrage über die Durchführung einer Werbekampagne. Herr Friedrichs muss ein Angebot erstellen.
Schritt 1 der Angebotskalkulation: Stundenanzahl und Materialkosten ermitteln
Im ersten Schritt ermittelt der Agenturinhaber, wie viele Stunden er und seine Mitarbeiter mit der Durchführung der Kampagne beschäftigt sein würden. Er listet zunächst nacheinander die anfallenden Arbeitsschritte auf und schätzt dann für jeden von ihnen die benötigten Stunden ab. Die richtige Zeit Abschätzung gehört zu den Kernkompetenzen von Herrn Friedrichs. Er errechnet, dass er und sein Team 250 Stunden für den Auftrag benötigen würden. Soweit, so gut. Jetzt muss er nur den Stundensatz seines Büros mit 250 multiplizieren, die anfallenden Materialkosten (Druckkosten, Kosten für Anzeigen o.ä.) für diesen Auftrag ermitteln und dann zu der Summe der Kosten seinen Gewinn hinzuaddieren. Fertig ist die Angebotskalkulation und er kann sein Angebot erstellen. Oder?
Schritt 2 der Angebotskalkulation: Stundensatz ermitteln
Noch nicht ganz, denn der wichtigste Schritt in der Angebotskalkulation ist nicht das Aufaddieren von Kosten, sondern das Ermitteln des korrekten Stundensatzes im Unternehmen. Die richtige Stundensatzkalkulation steht damit im Zentrum eines jeden Dienstleistungsbetriebes.
Und so funktioniert es:
- Erfassung aller Kosten der Agentur „Grafik-Design-Büro Michael Friedrichs“
- Zusammenfassung der fixen Kosten
- Ermittlung der Produktivstunden, also derjenigen Arbeitsstunden der Agentur, die vom Kunden bezahlt werden
- Errechnung des Stundensatzes
1. Erfassung aller Kosten
In jedem Unternehmen, ganz gleich ob Handel, Handwerk, Dienstleistung oder Produktion, wird zwischen variablen Kosten und festen Kosten (Fixkosten) unterschieden.
Variable Kosten
Variable Kosten werden auftragsabhängig verursacht. Im Fall der Agentur sind das die Materialkosten, die für die Werbekampagne anfallen würden. Michael Friedrichs weiß, dass für diesen Auftrag Materialkosten in Höhe von 3.000 Euro anfallen würden.
3.000 Euro variable Kosten (auftragsbezogen)
Fixkosten
Fixe Kosten fallen immer an, unabhängig davon, ob das Unternehmen Aufträge hat oder nicht. Darunter fallen zum Beispiel die Kosten für Miete, Buchhaltung, Versicherungen etc. Bei der Agentur „Grafik-Design-Büro Michael Friedrichs“ sind folgende Kosten fixe Kosten:
- Personalkosten (Festangestellte),
- Fremdleistungen (Freelancer),
- Betriebskosten Büro (Gemeinkosten),
- Finanzierungskosten
- Abschreibungen
- (kalkulatorischer) Unternehmerlohn
▒ Personalkosten
Die festangestellte Mitarbeiterin bezieht ein Bruttogehalt von rund 2.050 Euro pro Monat Das sind im Jahr (2.050 € x 12 Monate) 24.600 Euro. Dazu kommen die Lohnnebenkosten (ca. 20 %), also rund ca. 5.400 Euro, macht zusammen rund 30.000 Euro Personalkosten pro Jahr. Die Mitarbeiterin arbeitet im Jahr an 211 Arbeitstage à 7,7 Stunden, das sind 1.625 Stunden. Es ergibt sich ein Stundensatz von ca. 18,50 Euro.
30.000 Euro Personalkosten pro Jahr
▒ Fremdleistungen
Der freie Mitarbeiter hat einen Rahmenvertrag über 50 Stunden pro Monat. Seine tatsächliche Leistung wird zum Jahresende abgerechnet. Er erhält 50 Euro netto pro Stunde und muss sich selbst versichern (Krankenversicherung, Altersvorsorge etc.), so dass keine weiteren Kosten für Michael Friedrichs entstehen. Pro Jahr ergeben sich hier demnach Kosten in Höhe von maximal 30.000 Euro (2.500 € x 12 Monate).
30.000 Euro Fremdleistungen pro Jahr
▒ Kosten für den Geschäftsbetrieb
Die jährlichen „Gemeinkosten“ der Agentur ergeben sich wie folgt:
Miete | 7.200 Euro |
Versicherung | 1.300 Euro |
KfZ-Kosten | 4.500 Euro |
Werbung | 4.800 Euro |
Buchhaltung / Beratung | 2.400 Euro |
Sonstiger Aufwand (Zeitschriften, Reisekosten etc) | 3.800 Euro |
24.000 Euro Kosten für den Geschäftsbetrieb pro Jahr
▒ Investitionen
Auch in einem Dienstleistungsbetrieb fallen Investitionen an. Bei Michael Friedrichs waren dies vor allem Computer. 30.000 Euro hat er ausgegeben, um hochwertige Rechner für die Erstellung von Grafiken und Designs etc. anzuschaffen. Sie sollen mindestens fünf Jahre genutzt werden und erleiden einen jährlichen „Wertverlust“, der als Aufwandsposition „Abschreibung“ berechnet werden muss. Der Anschaffungspreis von 30.000 Euro wird auf fünf Jahre verteilt (30.000 € : 5 Jahre = 6.000 €/Jahr).
6.000 Euro Abschreibung im Jahr
▒ Finanzierungskosten
Herr Friedrichs hat zwei längerfristige Kredite aufgenommen und verfügt über eine Kontokorrentlinie. Mit dem Bankkredit hat er die technische Ausstattung seines Büros (30.000 €, Zinssatz 10%) gekauft. Zusätzlich erhielt er von einem Freund ein privates Darlehen über 10.000 Euro zum Zinssatz von 1,0% zur Finanzierung der Gründungskosten. Die Kontokorrentlinie beansprucht er durchschnittlich mit 6.666 Euro zu einem Zinssatz von 15 %. Es ergeben sich
4.100 Euro Zinsaufwendungen pro Jahr (Summe: 3.000 € + 100 € + 1.000 €)
▒ Unternehmerlohn
Herr Friedrichs berechnet für sich pro Monat 3.000 Euro als kalkulatorischen Unternehmerlohn. Wäre er Arbeitnehmer, entspräche das einem Gehalt von 2.500 Euro „brutto“. Sozialabgaben würden zu gleichen Teilen Michael Friedrichs und sein Arbeitgeber bezahlen, d. h. ca. 500 Euro würde er als Arbeitnehmer selbst übernehmen und ca. 500 Euro würde der Arbeitgeber bezahlen. Das entspricht ca. 1.600 Euro netto nach Steuern (ca. 16% Est. + Soli = 400 €). Davon bestreitet er seinen Lebensunterhalt, und davon bezahlt er seine Einkommenssteuer
36.000 Euro kalkulatorischer Unternehmerlohn pro Jahr
2. Zusammenfassung der fixen Kosten
Alle fixen Kosten zusammen schlagen pro Jahr mit satten 130.000 Euro zu Buche. Wohlgemerkt: Das sind die Fixkosten, also diejenigen Kosten, die das Unternehmen von Michael Friedrichs aufgrund der Geschäftsstruktur hat, und zwar unabhängig davon, ob es Aufträge gibt oder nicht:
Personalkosten | 30.000 Euro |
Fremdleistungen | 30.000 Euro |
Gemeinkosten (Betriebskosten Büro) | 24.000 Euro |
Finanzierungskosten | 4.100 Euro |
Abschreibungen | 6.000 Euro |
(kalkulatorischer) Unternehmerlohn | 36.000 Euro |
Gesamtkosten (Fixkosten) im Jahr | 130.100 Euro |
▒ Gesamtzahl an Arbeitsstunden3. Ermittlung der Produktivstunden
Jetzt muss Herr Friedrichs kalkulieren, wie viele Stunden er und seine Mitarbeiter das ganze Jahr über im Unternehmen arbeiten. Nach Abzug von Samstagen sowie Sonn- und Feiertagen, Urlaubstagen und Krankheitstagen verbleiben 211 Arbeitstage (wobei er als Unternehmensinhaber mehr arbeitet). Dies entspricht:
Herr Friedrichs (230 Tage à 8,5 Stunden) | 1.955 Std. |
Frau Fleißig (211 Tage à 7,7 Stunden) | 1.625 Std. |
Herr Raschke (12 Monate à 50 Stunden) | 600 Std. |
Arbeitsstunden insgesamt | 4.180 Std. |
▒ Anzahl an produktiven Stunden
Nicht alle geleisteten Arbeitsstunden können an Kunden verrechnet werden. In jedem Unternehmen fallen neben den produktiven Stunden, also den Stunden, die für Kundenaufträge geleistet werden, auch unproduktive Stunden an, also Stunden für die Aufrechterhaltung des Betriebes wie Verwaltung oder Buchhaltung, aber auch Marketing und Vertrieb, Akquisition, allgemeine Organisation, Weiterbildung, Mitarbeitergespräche, interne Konferenzen etc. Herr Friedrichs schätzt den produktiven Anteil der Stunden in seinem Unternehmen auf ca. 67 Prozent.
2.750 produktive Stunden (abgerundet: 4.180 x 0,67)
4. Errechnung des Stundensatzes
Herr Friedrichs kann nun seinen Stundenkostensatz ermitteln, indem er die Gesamtkosten (fixe Kosten) durch die Anzahl der produktiven Stunden teilt:
47,31 Euro Kosten pro Stunde (130.100 Euro Gesamtkosten : 2.750 Stunden)
Schritt 3 der Angebotskalkulation: Erstellung des Angebots
Nun ist die Angebotskalkulation fertig, und Herr Friedrichs kann das Angebot an Herrn Schmitz erstellen:
Beschreibung | Betrag |
250 kalkulierte Arbeitsstunden à 48 € | 12.000 € |
Materialkosten | 3.000 € |
Zwischensumme | 15.000 € |
20 % Gewinnaufschlag | 3.750 € |
Angebotspreis | 18.750 € |
19 % Umsatzsteuer | 3.562 € |
GESAMT | 22.312 € |
Das Angebot
Zu einem Preis von 18.000 Euro (netto, bei einem etwas kleineren Gewinnaufschlag) kann Herr Friedrichs sein Angebot unterbreiten. Er hat damit immer noch etwas „Spielraum“ für Preisverhandlungen, zum Beispiel durch
- eine weitere Reduzierung der Gewinnmarge, z. B. ca. 10% (d. h. 1.875 Euro günstiger),
- einen Verzicht auf den Gewinnaufschlag für 15.000 Euro netto (was nicht zu empfehlen ist),
- eine schnellere Abwicklung des Auftrags
- eine höhere Produktivität im Betrieb (z. B. 66%),
- einen günstigeren Einkaufspreis für das Material (weniger als 3.000 Euro)
- Beschäftigung von Honorarkräften, die kostengünstiger sind als seine Mitarbeiter (18,50 Euro bzw. 50 Euro), aber mindestens genauso produktiv.
Vorlage: Angebotsschreiben an den Kunden
Abschließend noch ein Vorschlag, wie Sie das Angebot formulieren:
Sehr geehrte/r Herr/Frau…,
vielen Dank für Ihre Anfrage/das angenehme Gespräch/unser freundliches Telefonat.
Gerne überreichen wir Ihnen mit diesem Schreiben unser Angebot für die besprochene Werbekampagne für Ihr Unternehmen. Unsere Werbemaßnahmen haben wir auf einem gesonderten Blatt erläutert, welches diesem Schreiben beigefügt ist.
Wir bieten an: Werbemaßnahmen für Ihr Unternehmen wie folgt
Pos 1) | Materialien wie in der Anlage beschrieben | 3.600 € |
Pos 2) | Unsere Leistungen wie in der Anlage beschrieben | 14.400 € |
| GESAMT | 18.000 € |
Dieser Preis enthält keine Mehrwertsteuer. Diese wird zu den gesetzlichen Vorschriften zusätzlich berechnet.
Für die Ausführung benötigen wir sechs Wochen ab Auftragserteilung.
Bilder von Ihrem Unternehmen stellen Sie selbst zur Verfügung. Unsere Textvorschläge werden von Ihnen auf sachliche Richtigkeit überprüft.
Zahlung bitten wir im Auftragsfall wie folgt:
50% bei Auftragserteilung,
50% bei Fertigstellung der Werbemaßnahmen.
Wir halten uns an dieses Angebot sechs Wochen ab Angebotsdatum gebunden. Danach ist es freibleibend.
Wir hoffen, dass Ihnen das vorstehende Angebot zusagt und würden uns über eine Auftragserteilung freuen.
Mit freundlichen Grüßen!
Grafik-Design Michael Friedrichs
Anlagen!
(Quelle: Danke für die Anregungen von Herrn Jörg Püschel, NUK – Neues Unternehmertum Rheinland)
(Bilder: © Jörg Püschel | © Alterfalter – Fotolia 15427061)