Der Preis muss stimmen
Der richtige Preis für ein Produkt oder eine Dienstleistung entscheidet oft über Erfolg und Misserfolg im Unternehmen. Doch in Zeiten von „Geiz ist geil“ scheinen viele Unternehmen und Konsumenten einzig auf den Preis zu schauen, ohne weiter über die Qualität der eingekauften Leistung oder des erworbenen Produktes nachzudenken. Das macht die Frage nach dem richtigen Preis oft so schwer. Ganz besonders gilt dies für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) und erst recht für Existenzgründer, die sich am Markt erst behaupten müssen und dazu neigen, ihre Leistung weit unter Wert zu verkaufen und manchmal sogar ein Verlustgeschäft in Kauf nehmen, nur um einen Kunden zu gewinnen. All jenen möchte ich zurufen: „Vorsicht! Falle!“ Denn wenn sich ein Anbieter erst einmal mit einem bestimmten Marktpreis bekannt gemacht hat, dann wird es schwer, diesen zu revidieren. Deshalb gilt es stets darauf zu achten, dass der Preis stimmt – und zwar so, dass nicht nur der Kunde, sondern auch der Anbieter gut damit leben kann. Denn sonst kommt die Krise – und mit ihr die Krisenberatung.
Pricing – den punktgenauen Marktpreis finden
Beim so genannten Pricing, also der optimalen Preisgestaltung im täglichen Geschäft, geht es aber nicht (nur) darum, das Unternehmensergebnis zu verbessern. Sicher – wenn Sie Ihre Preise um ein Prozent erhöhen, dann wirkt sich dies direkt auf Ihr Unternehmensergebnis aus – es wird genau um ein Prozent der Einnahmen verbessert, also um richtig viel Geld. Dies gilt übrigens nur für die Einnahmen, also für den Umsatz. Auf der Kostenseite sieht es anders aus. Einsparungen bei Personalkosten, Fremdleistungen oder Materialeinkauf um ein Prozent verbessern das Ergebnis nie um ein Prozent der Einnahmen, sondern immer um viel weniger. Näheres dazu finden Sie im Artikel „Gewinntreiber in Ihrem Unternehmen“.
Beim Pricing geht es vielmehr darum, genau den Preis zu finden und durchzusetzen, der dem Wert des Produktes oder der Dienstleistung für den Kunden entspricht. Damit ist Pricing oft mehr Kultur als Können, nämlich das immerwährende Ringen zur Findung punktgenauer Marktpreise. Oft von Kunde zu Kunde und von Angebot zu Angebot.
Krisenberatung: mit Preiserhöhungen zum Erfolg
Als Unternehmensberater in der Krisenberatung, das gilt beim „Turn Around Management“ und erst recht bei der „Beratung Runder Tisch“, betrete ich meist eingefahrene Gleise. Die Leiter der Firmen, mehrheitlich kleine und mittlere Unternehmen (KMU zeigen sich wenig wandlungsfähig. Der Leidensdruck ist vorhanden, aber häufig noch nicht groß genug. Das stellt enorme Herausforderungen an den Unternehmensberater, wie die nachfolgenden Beispiele zeigen.
Pricing in einer Dienstleistungsagentur – Die Ausgangslage
Die Agentur aus Köln, die ich im Rahmen der Krisenberatung betreute, steckte in der Klemme. Die Ergebnisse plätscherten dahin. Es hakte bei der Auftragslage. Im Vertrieb galt es einiges zu verändern, und schließlich kam das Thema Angebotserstellung auf den Tisch. Als wir die Angebotskalkulation unter die Lupe nahmen, lag das Problem schnell auf der Hand: Bei typischen Angebotswerten zwischen 20.000 und 70.000 € zahlte das Unternehmen drauf. Die Kosten konnten nicht weiter gesenkt werden.
Pricing-Gegenargument: Mein Kunde zahlt nicht mehr und hat ein Budget
Es war bereits spät am Abend. Wir saßen in der Firma in Köln beisammen. Die Stimmung war gereizt. Das Ziel war klar, aber der Weg mit (scheinbar) unüberwindbaren Hindernissen gepflastert. Der Unternehmer war überzeugt: „Das geht nicht. Dann verliere ich den Auftrag und den Kunden. Mein Kunde ist nicht bereit, dafür mehr Geld auszugeben. Und im Übrigen hat mein Kunde ein Budget. Das darf er nicht überschreiten!“
Bei solch schlüssiger Argumentation ist jeder Unternehmensberater überfordert. Ich kann mir doch nicht anmaßen, diese „Wahrheiten“ infrage zu stellen. In solchen Situationen wünsche ich mir immer, das Studium der Psychologie absolviert zu haben, aber ich bin (nur) für die Krisenberatung zuständig.
Ich reagierte etwas gereizt und mit Zynismus: „Da gratuliere ich Ihnen zu Ihrem Mut. Ihnen steht das Wasser bis zum Hals. Jetzt wollen Sie ein Geschäft mit 35.000 € hereinholen und wissen, dass Sie dabei noch Geld mitbringen. Ich an Ihrer Stelle hätte diesen Mut nicht. Und das Geld dafür schon gar nicht. Verzichten Sie besser auf das Geschäft und machen Sie Ihren Laden gleich zu!“ Wir waren alle genervt und hatten – genau, eine Krise.
Pricing – Vorteile und Mehrwert für den Kunden darstellen
Schließlich zeigte sich der Unternehmer gesprächsbereit und bat mich um Rat: „Herr Schuster, dann sagen Sie mir doch, wie ich beim Kunden argumentieren soll.“ Aber gerne doch! So kam es am späten Abend doch noch zu einer – wie ich es nenne – „Mehrwert-Diskussion“. Wir betrieben endlich Pricing! Wir gingen die einzelnen Posten des Angebotes durch, erarbeiteten dazu die Vorteile für den Kunden und den Mehrwert, den die Agentur leistet. Dem Unternehmer wurde bewusst, was die Leistungen dem Kunden bedeuten, welchen Nutzen er aus jeder einzelnen Dienstleistung erzielt. Schließlich, wenn auch noch ziemlich zähneknirschend, war der Unternehmer bereit, seine Preise zu diskutieren und diese entsprechend seiner Dienstleistung und deren Wert für den Kunden anzupassen – Das ist Pricing! Und gleichzeitg jede Menge Verantwortung auf den Schultern des Unternehmensberaters – also auf meinen. Aber das ist eben Teil der Krisenberatung.
Die Verhandlung beim Kunden führte der Unternehmer allein. Eine halbe Woche später kam sein Anruf: „Herr Schuster, es hat geklappt. Der Kunde aus Düsseldorf hat die Vorteile und seinen Nutzen eingesehen. Wir haben den Auftrag zum Preis von 42.450 €.“ Erleichtert und einmal mehr überzeugt vom Nutzen einer ordentlichen Pricing-Strategie legt ich auf. Geschafft!
Pricing in einer Massagepraxis – Die Ausgangslage
Als ich die Beratung Runder Tisch beantragte, stagnierte alles in meinem Geschäft und bei mir. Ich hatte das Gefühl, mir geht jeder nur noch auf die Nerven, habe das Wesentliche aus den Augen verloren und wusste eben nicht, wo das Problem lag. Ich denke es lag an dem schlechten Ergebnis und der Angst, wie ich die Rechnungen bezahlen konnte. Ich fühlte mich nicht belohnt für meinen Einsatz. Ich war zum ersten Mal in zehn Jahren bereit zu schließen.
Die Sachlage bei der Krisenberatung „Runder Tisch“ in diesem Unternehmen war klar. Es handelte sich um einen Ein-Mann-Betrieb, ein gut ausgestattetes Geschäft in der Region Köln. Der Kunde konnte zwischen 35 verschiedenen Behandlungen wählen, an der Wand hing die Preisliste. Der Inhaber schuftete und schuftete, und sämtliche Kunden lobten ihn überschwänglich. Doch am Ende blieb nicht mehr viel übrig. Die Einnahmen dienten nur noch der Kostendeckung für Miete, Wareneinsatz usw. Und der Unternehmer? Nun, er war psychisch wie physisch am Ende und bereit, den Betrieb einfach aufzugeben.
Die Lösung: Preise rauf, Angebot begrenzen
Mein Rat als Unternehmensberater war klar: „Sie müssen die Preise um 30 % erhöhen!“ Der Leidensdruck beim Unternehmer war groß genug, der Wille zum Wandel war gegeben. Wir diskutierten die Chancen und die Risiken einer drastischen Preiserhöhung, und erstellten am Ende eine neue Preisliste, die weniger Behandlungsangebote vorsah und mit einer Preiserhöhung von durchschnittlich 17 Prozent ein wenig moderater ausfiel als die anfangs von mir geforderten 30 Prozent. Aber auch das ist Pricing – durch eine genaue Analyse und Abwägung zu einem Ergebnis zu kommen, das realistisch und durchsetzbar ist. In diesem Fall gelang es, und auch wenn es dem Unternehmer dabei ein wenig bange wurde, so sah er ein, dass ein solcher Schritt unumgänglich war. Sein Kommentar: „Das ist schon heftig und macht Angst, aber notwendig, und ich fange heute schon mal mit der Mehrwert-Auseinandersetzung (Pricing) an.“
Pricing macht Spaß
Der Unternehmer aus Köln erläuterte einen Monat lang jedem Kunden während der Behandlung diesen notwendigen Schritt. Ich als sein Unternehmensberater bekam wöchentlich eine Auswertung der Gespräche. Darauf waren meist Smileys zu sehen
Die letzte Woche verlief ruhig. Ein Kunde ist abgesprungen. Ich werde langsam wieder lockerer und dementsprechend war mein Umsatz in der letzten Woche gut. Meine Selbstsicherheit bei der Nennung der neuen Preise steigt stetig an und das wiederum bringt Akzeptanz des Ganzen. Ich merke jetzt wie viel Positives mein Geschäft bringen kann. Ich war nur noch negativ und deprimiert. Jetzt freue ich mich über jeden Tag an den schönen Dingen im Laden und überlege, was ich noch planen und umsetzen kann. Einige Kunden bestätigten mir schon meine positive Wandlung der letzten Wochen. Ich nehme die Probleme mit Selbstsicherheit in Angriff und löse sie. Mit anderen Worten, ich werde langsam wieder kreativ!!!
Sie sehen: Pricing macht Freude. Pricing ist etwas Schönes. Pricing stärkt das Selbstgefühl!
Pricing – mehr Haltung als Technik
Es ist genau diese Freude, die dabei herauskommen muss, wenn man die Preise nach dem Nutzen für den Kunden und gleichzeitig so gestaltet, dass man sich als Unternehmer gut dabei fühlt. Denn im Geschäftsleben soll nicht eine Seite alle Vorteile und die andere Seite nur Nachteile haben. Damit ist niemandem geholfen. Die Frage, die man sich daher stellen muss, lautet „Was ist meine Leistung dem Kunden wert und wie kann ich ihn für meine Preisgestaltung gewinnen?“ Pricing bedingt damit eine völlig andere Haltung und Denkweise für den Unternehmer und im Unternehmen. Pricing kann nämlich auch bedeuten, in jedem Einzelfall einen anderen Preis für die Dienstleistung und für das Produkt zu fordern. Das geht auch im Konsumgütergeschäft, aber etwas anders. Denken Sie nur mal an das, was die Mineralölindustrie mit uns täglich und stündlich an den Tankstellen macht – aber bitte nicht als Vorbild nehmen!
Pricing ist somit mehr eine Haltung als eine Technik. Pricing ist die Unternehmenskultur, nämlich sich immer wieder mit dem Markt und mit den Kunden auseinanderzusetzten und so den richtigen (!) Marktpreis zu finden. Dazu muss der Unternehmer Augen und Ohren offenhalten, den Wettbewerb sowie Markt und Kunden laufend beobachten. Pricing heißt auch, sich den Druck von Markt und Kunden mit Kreativität und Mut zu stellen. Wer über niedrige Preise verkauft, der ist meist ein schlechter Verkäufer. Verkaufen ist ein anspruchsvolles Handwerk. Dazu gehört die richtige Haltung zur Preisfindung – eben Pricing.
Versuchen Sie es. Und gewinnen Sie Freude am Pricing!
Weiterführende Artikel zu diesem Thema:
Preisargumentation – Kostenverteidigung oder Nutzenargumentation?
Gewinntreiber in Ihrem Unternehmen
(Foto: © jehafo – Fotolia | © Alfred Wekelo – Fotolia | © fuzzbones – Fotolia | © Jeanette Dietl – Fotolia)
Hallo Herr Schuster,
wie wir am Wochenende genau dieses Thema mit Ihnen diskutierten, hatten wir anfangs auch ein etwas mulmiges Gefühl beim Thema Pricing. Es ist auch für uns nicht einfach das richtige Pricing zu finden. Aber um ehrlich zu sein bin ich bei der Auswahl unserer Lieferanten und Anbieter so eingestellt, dass ich gerne bereit bin für gute Arbeit mehr zu zahlen.
Wie Sie in Ihrem Artikel bereits geschrieben haben, ist auch bei uns als Kunde der Mehrwert von Bedeutung. Hier stehen z.B. im Vordergrund:
Kompetente Beratung, guter Kontakt zwischen dem Kunden und dem Auftraggeber und die Erwartungen die ich an das Produkt oder die Dienstleistung stelle muss erfüllt werden.
kurz gesagt: einfach Zufriedenheit.
Kommt dann noch ein starkes Argument über einen besonderen Nutzen – dann mach ich mir als Kunde nicht mehr all zu sehr Gedanken über den Preis.
Sehr schöner Artikel – Vielen Dank und viele Grüße aus Würzburg
Stefanie Gerngras