LARS STREMPEL

Vertrieb oder der Kampf um den Auftrags bis zum Ziel

Vertrieb:  So bekommen Sie den Auftrag – auch wenn schon alles verloren scheint.

Vertrieb - oder der Kampf um den Auftrag bis zum Erfolg

Im Vertrieb als Sieger aus dem „Kampf um den Kunden“ hervorgehen – das möchte am Ende einer Auftragsvergabephase selbstverständlich jeder. Doch nur einer kann gewinnen. Wie schwer es ist, den Kunden für sich und sein Angebot einzunehmen und was man beachten muss, um einen Auftragsverlust zu vermeiden, zeigt ein Beispiel aus Köln.

Nutzen Sie dieses Fallbeispiel, um Ihre Strategie im Vertrieb weiter zu optimieren und Auftragsverluste zu vermeiden. Vergessen Sie nicht:  Wirklich gute Vertriebsarbeit ist sehr anspruchsvoll und zeitintensiv. Doch auch und gerade in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) ist sie der Schlüssel zum Erfolg!

Vertrieb: Das Fallbeispiel

Unsere Firma aus der Region Köln: Leistungsfähig, seit drei Jahrzehnten erfolgreich im deutschsprachigen Raum aktiv, zehn Mitarbeiter. Das Portfolio umfasst die Entwicklung, Lieferung und Einrichtung einer Spezialsoftware für Anwendungen, die in vielen Betrieben benötigt werden. Im Web wird das Leistungsspektrum gut wahrgenommen. Mit einer ausgefeilten Vertriebssystematik pflegt das Unternehmen seine Bestandskunden und gewinnt regelmäßig neue Kunden hinzu. Es hört sich ganz so an, als ob man hier auf eine Nachhilfestunde in Sachen Vertrieb verzichten könnte.

Doch vor fünf Monaten fragte ein Interessent aus etwa 1.000 km Entfernung einen Auftragswert von 50.000 € an. Kein Pappenstiel – auch nicht für die vertriebserfahrene und erfolgreiche Mannschaft aus Köln. Dieser Auftrag würde etwa zehn normalen Aufträgen entsprechen. Und so verwundert es nicht, dass der Vertrieb hoch engagiert in die Akquisition ging. Der potenzielle Kunde bekam ein sehr attraktives Angebot, und die Fachleute begaben sich zu Präsentationen und Workshops beim Interessenten auf die Reise. Die Softwarelösung kam gut an. Über den Wettbewerb wurde kaum etwas bekannt, jedoch ließ der Interessent durchblicken, dass die angebotene Lösung das kostengünstigste Angebot unter den Wettbewerbern war. Doch dann versiegte der Informationsfluss. Auf Nachfragen per Mail informierte der Interessent, dass man noch zwei weitere Wochen Gespräche mit dem letzten Wettbewerber führen und nach weiteren 14 Tagen über die Vergabe entschieden würde. Unmittelbar nach Ablauf dieser Frist erkundigte sich der Vertrieb unserer Kölner Firma erneut per Mail über den Vergabestand. Sie erhielt folgende Antwort:

„… wir haben heute eine Entscheidung für unsere Softwarelösung gefällt. Wir haben uns, unter Berücksichtigung aller relevanten Faktoren und Informationen, für einen Ihrer Konkurrenten entschieden … Für das ausgewählte Produkt sprachen … Übersichtlichkeit, Integrationsfähigkeit, Modernität, Nähe zum Lieferanten …“

Die Diskussion

Frage: „Hatte der Vertrieb unsere Firma aus Köln überhaupt eine Chance, den Auftrag zu bekommen?“
Antwort: „Ja. Wenn auch eine geringe. Denn aller Wahrscheinlichkeit nach war von Anfang an ein anderes Fabrikat ‚gesetzt‘. In solchen Situationen lässt sich der Kunde zuerst die Systeme des Wettbewerbs präsentieren. Auf diese Weise bringt er das „gesetzte“ Fabrikat technisch und preislich dorthin, wo er der Wunschfirma ohne Probleme den Auftrag erteilen kann.“

Frage: „Wie hoch war die Auftragschance dann von Beginn an?“.
Antwort: „Das ist in Zahlen natürlich schwer zu beantworten. Meines Erachtens lag die Chance zu Beginn bei etwa 30 %. Das ist nicht viel, aber mit einer guten Vertriebsstrategie und bei taktisch klugem Vorgehen habe ich schon so manches 30 %-Geschäft zum Auftragserfolg geführt.“

Frage: „Konnte der Vertrieb den anstehenden Auftragsverlust im Vorfeld erkennen?“
Antwort: „Ein klares Ja! Es gab Signale und Indizien, dass unser Unternehmen für diesen Auftrag nicht die „gesetzte“ Firma war.

  1. Man hat den Anbieter bezüglich des Projektumfeldes im Dunkeln gehalten. Es war nicht viel über den Wettbewerb und die Vorlieben des Interessenten bekannt.
  2. Der Informationsfluss zum Vertrieb versiegte – ein deutliches Signal für das nachlassende Interesse des potenziellen Kunden.
  3. Der Interessent hat sich lange nach der Präsentation noch mit einem Wettbewerber befasst und keine Rückfragen an das anbietende Unternehmen gestellt. Das ist ein Indiz dafür, dass er –vermutlich von Anfang an – einen anderen Anbieter bevorzugte und „vergabereif“ machen wollte.“

Frage: „Was hätte der Vertrieb besser machen können?“
Antwort: „Er hätte seinen Vorteil besser nutzen und flexibel reagieren müssen. Der Anbieter war über Strecken der kostengünstigste Lieferant. Doch das allein verschafft noch keinen Auftrag. Die Vergabephase ist ein dynamischer Prozess, bei dem die Menschen aus dem Vertrieb …

  1. …mit dem Kunden und den Menschen spricht – und vor allem gut zuhört. Man muss schon im Vorfeld viele Fragen stellen über die Vorstellungen zum Projekt und zum Wettbewerb, dessen Stärken und Schwächen. Unsere Firma hat das versäumt und wusste zum Umfeld nur wenig.
  2. …aus dem Wissen um die eigene Position und der des Wettbewerbes eine Änderung des Angebotskonzeptes mit einer neuen Vertriebsstrategie ableitet, die weitere Vorteile im Vergabeprozess schafft. Das können technische Zugeständnisse, neue Features oder auch weitere Preisvorteile sein.
  3. Vertrieb, Verkaufen, Vertriebssystematik
  4. … die Bombe im richtigen Augenblick hochgehen lässt, sprich, der Vertrieb legt dem Kunden im passenden Moment ein neues Konzept vor.  Nicht zu früh und auch nicht zu spät! Im betrachteten Fall ist dies der Moment, in dem die Verhandlungen mit dem letzten Wettbewerber abgeschlossen sind und die Vergabeentscheidung noch nicht getroffen ist, aber kurz bevorsteht.“

Das Fazit, lieber Vertrieb …

… reden Sie! Hören Sie gut zu! Bauen Sie eine positive Beziehung zu Ihren Ansprechpartnern auf. Sie brauchen Freunde. Erkunden Sie das Umfeld. Fragen, fragen, fragen und Informationen sammeln – über die Bedürfnisse des Kunden und dessen Vergabestrategie. Aber lassen Sie auch den Wettbewerb nicht aus den Augen. Was macht der gerade? Was denkt er? Was denkt er, was wir denken? Aus diesem Wissen leiten Sie Ihre eigene Vertriebsstrategie ab. Einen Auftrag zu akquirieren bedeutet Aktion, nicht nur Reaktion. Es ist ein Kampf, und nur einer kann gewinnen. Positionieren Sie sich so, dass Sie am Ende als Sieger dastehen. Doch Vorsicht! Gehen Sie taktisch klug vor. Denn wer seine Vertriebsstrategie zu früh erkennen lässt, der hat verloren.

Dieses Kämpfen, nicht aufgeben, Beziehungen aufbauen, zuhören, Wissen sammeln, den richtigen Moment wählen und schließlich gewinnen, ist das Geheimnis im erfolgreichen Vertrieb. Besonders dann, wenn der Auftrag verloren scheint. In der heißen Phase findet ein Ringen mit dem Kunden und gegen den Wettbewerb um die Auftragsentscheidung statt. Viele Menschen und Unternehmen haben Hemmungen, sich diesem Kampf zu stellen. Das ist falsch! In aussichtslosen Situationen kann man nur noch gewinnen!

(Fotos Fotolia © Tommi – Fotolia © James Steidl)

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