Vertrieb: So bekommen Sie den Auftrag – auch wenn schon alles verloren scheint.
Im Vertrieb als Sieger aus dem „Kampf um den Kunden“ hervorgehen – das möchte am Ende einer Auftragsvergabephase selbstverständlich jeder. Doch nur einer kann gewinnen. Wie schwer es ist, den Kunden für sich und sein Angebot einzunehmen und was man beachten muss, um einen Auftragsverlust zu vermeiden, zeigt ein Beispiel aus Köln.
Nutzen Sie dieses Fallbeispiel, um Ihre Strategie im Vertrieb weiter zu optimieren und Auftragsverluste zu vermeiden. Vergessen Sie nicht: Wirklich gute Vertriebsarbeit ist sehr anspruchsvoll und zeitintensiv. Doch auch und gerade in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) ist sie der Schlüssel zum Erfolg!
Vertrieb: Das Fallbeispiel
Unsere Firma aus der Region Köln: Leistungsfähig, seit drei Jahrzehnten erfolgreich im deutschsprachigen Raum aktiv, zehn Mitarbeiter. Das Portfolio umfasst die Entwicklung, Lieferung und Einrichtung einer Spezialsoftware für Anwendungen, die in vielen Betrieben benötigt werden. Im Web wird das Leistungsspektrum gut wahrgenommen. Mit einer ausgefeilten Vertriebssystematik pflegt das Unternehmen seine Bestandskunden und gewinnt regelmäßig neue Kunden hinzu. Es hört sich ganz so an, als ob man hier auf eine Nachhilfestunde in Sachen Vertrieb verzichten könnte.
Doch vor fünf Monaten fragte ein Interessent aus etwa 1.000 km Entfernung einen Auftragswert von 50.000 € an. Kein Pappenstiel – auch nicht für die vertriebserfahrene und erfolgreiche Mannschaft aus Köln. Dieser Auftrag würde etwa zehn normalen Aufträgen entsprechen. Und so verwundert es nicht, dass der Vertrieb hoch engagiert in die Akquisition ging. Der potenzielle Kunde bekam ein sehr attraktives Angebot, und die Fachleute begaben sich zu Präsentationen und Workshops beim Interessenten auf die Reise. Die Softwarelösung kam gut an. Über den Wettbewerb wurde kaum etwas bekannt, jedoch ließ der Interessent durchblicken, dass die angebotene Lösung das kostengünstigste Angebot unter den Wettbewerbern war. Doch dann versiegte der Informationsfluss. Auf Nachfragen per Mail informierte der Interessent, dass man noch zwei weitere Wochen Gespräche mit dem letzten Wettbewerber führen und nach weiteren 14 Tagen über die Vergabe entschieden würde. Unmittelbar nach Ablauf dieser Frist erkundigte sich der Vertrieb unserer Kölner Firma erneut per Mail über den Vergabestand. Sie erhielt folgende Antwort:
„… wir haben heute eine Entscheidung für unsere Softwarelösung gefällt. Wir haben uns, unter Berücksichtigung aller relevanten Faktoren und Informationen, für einen Ihrer Konkurrenten entschieden … Für das ausgewählte Produkt sprachen … Übersichtlichkeit, Integrationsfähigkeit, Modernität, Nähe zum Lieferanten …“
Die Diskussion
Frage: „Hatte der Vertrieb unsere Firma aus Köln überhaupt eine Chance, den Auftrag zu bekommen?“
Antwort: „Ja. Wenn auch eine geringe. Denn aller Wahrscheinlichkeit nach war von Anfang an ein anderes Fabrikat ‚gesetzt‘. In solchen Situationen lässt sich der Kunde zuerst die Systeme des Wettbewerbs präsentieren. Auf diese Weise bringt er das „gesetzte“ Fabrikat technisch und preislich dorthin, wo er der Wunschfirma ohne Probleme den Auftrag erteilen kann.“
Frage: „Wie hoch war die Auftragschance dann von Beginn an?“.
Antwort: „Das ist in Zahlen natürlich schwer zu beantworten. Meines Erachtens lag die Chance zu Beginn bei etwa 30 %. Das ist nicht viel, aber mit einer guten Vertriebsstrategie und bei taktisch klugem Vorgehen habe ich schon so manches 30 %-Geschäft zum Auftragserfolg geführt.“
Frage: „Konnte der Vertrieb den anstehenden Auftragsverlust im Vorfeld erkennen?“
Antwort: „Ein klares Ja! Es gab Signale und Indizien, dass unser Unternehmen für diesen Auftrag nicht die „gesetzte“ Firma war.
- Man hat den Anbieter bezüglich des Projektumfeldes im Dunkeln gehalten. Es war nicht viel über den Wettbewerb und die Vorlieben des Interessenten bekannt.
- Der Informationsfluss zum Vertrieb versiegte – ein deutliches Signal für das nachlassende Interesse des potenziellen Kunden.
- Der Interessent hat sich lange nach der Präsentation noch mit einem Wettbewerber befasst und keine Rückfragen an das anbietende Unternehmen gestellt. Das ist ein Indiz dafür, dass er –vermutlich von Anfang an – einen anderen Anbieter bevorzugte und „vergabereif“ machen wollte.“
Frage: „Was hätte der Vertrieb besser machen können?“
Antwort: „Er hätte seinen Vorteil besser nutzen und flexibel reagieren müssen. Der Anbieter war über Strecken der kostengünstigste Lieferant. Doch das allein verschafft noch keinen Auftrag. Die Vergabephase ist ein dynamischer Prozess, bei dem die Menschen aus dem Vertrieb …
- …mit dem Kunden und den Menschen spricht – und vor allem gut zuhört. Man muss schon im Vorfeld viele Fragen stellen über die Vorstellungen zum Projekt und zum Wettbewerb, dessen Stärken und Schwächen. Unsere Firma hat das versäumt und wusste zum Umfeld nur wenig.
- …aus dem Wissen um die eigene Position und der des Wettbewerbes eine Änderung des Angebotskonzeptes mit einer neuen Vertriebsstrategie ableitet, die weitere Vorteile im Vergabeprozess schafft. Das können technische Zugeständnisse, neue Features oder auch weitere Preisvorteile sein.
- … die Bombe im richtigen Augenblick hochgehen lässt, sprich, der Vertrieb legt dem Kunden im passenden Moment ein neues Konzept vor. Nicht zu früh und auch nicht zu spät! Im betrachteten Fall ist dies der Moment, in dem die Verhandlungen mit dem letzten Wettbewerber abgeschlossen sind und die Vergabeentscheidung noch nicht getroffen ist, aber kurz bevorsteht.“
Das Fazit, lieber Vertrieb …
… reden Sie! Hören Sie gut zu! Bauen Sie eine positive Beziehung zu Ihren Ansprechpartnern auf. Sie brauchen Freunde. Erkunden Sie das Umfeld. Fragen, fragen, fragen und Informationen sammeln – über die Bedürfnisse des Kunden und dessen Vergabestrategie. Aber lassen Sie auch den Wettbewerb nicht aus den Augen. Was macht der gerade? Was denkt er? Was denkt er, was wir denken? Aus diesem Wissen leiten Sie Ihre eigene Vertriebsstrategie ab. Einen Auftrag zu akquirieren bedeutet Aktion, nicht nur Reaktion. Es ist ein Kampf, und nur einer kann gewinnen. Positionieren Sie sich so, dass Sie am Ende als Sieger dastehen. Doch Vorsicht! Gehen Sie taktisch klug vor. Denn wer seine Vertriebsstrategie zu früh erkennen lässt, der hat verloren.
Dieses Kämpfen, nicht aufgeben, Beziehungen aufbauen, zuhören, Wissen sammeln, den richtigen Moment wählen und schließlich gewinnen, ist das Geheimnis im erfolgreichen Vertrieb. Besonders dann, wenn der Auftrag verloren scheint. In der heißen Phase findet ein Ringen mit dem Kunden und gegen den Wettbewerb um die Auftragsentscheidung statt. Viele Menschen und Unternehmen haben Hemmungen, sich diesem Kampf zu stellen. Das ist falsch! In aussichtslosen Situationen kann man nur noch gewinnen!
(Fotos Fotolia © Tommi – Fotolia © James Steidl)
Hallo Herr Nöker!
Vielen Dank für die wertvollen Hinweise.
Ich gebe zu, mein Artikel „Vertrieb: So bekommen Sie den Auftrag – auch wenn schon alles verloren scheint“ gibt viele wertvolle Hinweise an den Vertriebler, diese sind sicher auch sehr praxisnah, dennoch ist die Umsetzung schwierig und in manchen Fällen unmöglich.
Versetzen wir uns mal in die Situation des Kunden. Zum Beginn einer Ausschreibung muss er die Bieter umwerben, Zeit und Geld in die Hand zu nehmen, ein Angebot zu erstellen und Präsentationen (Besuche beim Kunden)zu leisten. Wenn dann das Know-how vom Bieter kostenlos an den Kunden übertragen wurde, dann ist er der König und kann im Wettbwerb den Auftrag seinem Vorzugbieter erteilen. Ob er sich dabei fair oder unfair verhält, liegt jetzt allein in der Entscheidung des Kunden. So kann er sich plötzlich in der Wettbewerbsphase bedeckt verhalten. Der Informationsfluss an den Bieter versiegt. Das wollen wir dem Kunden aber nicht zu einfach machen! Was kann der Bieter tun?
1. Diese Problem kann nur in der Anfangsphse gelöst werden, da wo der Kunden den Bieter umwirbt. In dieser Phase habe ich so manches Mal die Gretchenfrage gestellt, nämlich in etwa: „Sie wollen mir ja keinen Auftrag erteilen. Warum soll ich mich auf Sie einlassen, Arbeit und Geld für nichts zu investieren? Wo liegt mein Nutzen?“ Aus der Antwort dieser Frage kann man meist heraushören, wie ernst der Kunde es meint. Jetzt kann man noch entscheiden, sich nicht auf den Angebotesprozess einzulassen.
2. So sind in der Anfangsphase auch weitere Hinterfragungen zu stellen, in etwa: „Wo liegt mein Nutzen? Wer sind die Wettbewerber? Welches sind Ihre Kriterien Ihrer Vergabeentscheidung?“ Wenn der Kunde Sie jetzt kalt abblitzen lässt, ist es legitim ihm bewusst zu machen, dass er mich so nicht zu einem Angbot gewinnen kann. Etwa in folgender Tonlage: „Ich habe ein tolles Produkt. Ich kann Ihnen ein tolles Angebot machen. Aber so ein Angebotsprozess kostet mich eine Menge Zeit und Geld. Sie müssen mich schon überzeugen, dass ich das für Sie investiere und am Ende ein faire Chance auf den Auftrag erhalte.“
3. Und noch weiter: Bei der ersten Begegnung erhält man oft Kontakt zu mehreren Personen des Kunden. Hier gilt es dann auch am Rande die verschiedenen Menschen in Einzelgespräche zu verwickeln. Das kann die Grundlage werden, in einer späteren Phase Kontakte zu verschiedenen Menschen zu pflegen, eben die Vertriebsaktivitäten an mehreren Kanälen zu betreiben.
4. Wenn alles nicht funktioniert, dann ist die Gretchenfrage zu stellen: Mache ich mit? Oder gebe ich besser kein Angebot ab.
5. Wenn der Kunde sich auf dieserlei Diskussionen in der Anfangsphase einlässt, dann haben Sie mit den getägtigten Aussagen des Kunden später gute Ansatzpunkte, sich hierauf zu beziehen und den Kunden aus der Ecke des versiegten Informationsflusses herauszuholen. In etwa: „Sie hatten mir damals zugesagt, …. Heute bringe ich das in Erinnerung und bitte Sie mir offen zu sagen, wo ich dran bin.“
6. Aufgrund der Antwort des Kunden wissen Sie nun, wo Sie dran sind. Sie sind jetzt nicht mehr blind. Nun können Sie die besagte „Bombe“ hochgehen lassen. Sie werden jetzt sicher auch herausgehört haben, wann dafür der richtige Zeitpunkt gekommen ist.
7. Bessern Sie Ihr Angebot nach. Im Extremfall machen Sie einen „Kampfpreis“. Den Kampreis im richtigen Moment vorgelegt, wird es dem Kunden schwer machen, seine Meinung nicht zu Ihren Gunsten im letzten Augenblick zu ändern. Vielleicht kippt er nun doch seine Entscheidung zu Ihren Gunsten. Und wenn nicht – dann haben Sie Ihr Letztes gegeben und sind eben der stolze Verlierer.
Ja, Vertrieb ist eine schwierige Angelegenheit. Es ist stets ein Ringen mit dem Partner auf der anderen Seite.
Viele Grüße nach Finnentropp-Fretter
Lambert Schuster
Hallo Herr Schuster,
ein sehr guter Artikel, die geschilderte Problematik ist mir vertraut. Man ist ja schon sehr weit gekommen, wenn man diese Mechanismen in Ihrer Struktur erkannt hat. Doch dann kommen die teuflischen Details, die immer wieder Kopfschmerzen bereiten:
Der Kunde hält sich sehr bedeckt, blockt ab im Bezug auf Infos zu Konkurrenz und weiterem Vorgehen:
– Welche Art von Fragen stelle ich wann und wem? Wie hartnäckig kann ich in welcher Phase vorgehen?
Ich fürchte den Auftrag an die unbekannte Konkurrenz zu verlieren:
– Wann ist der Zeitpunkt für das Zünden der „Bombe“ gekommen?
– Ist es überhaupt schon notwendig, verliere ich durch ein unnötiges und zu frühes „Sonderangebot“ vielleicht viel Geld?
– Welche Art von „Bombe“ (Preis?,Leistungen?)kann ich zünden, ohne mich im Bezug auf ein vorher gestelltes Angebot unglaubwürdig zu machen?
-Oder: Wann steige ich aus einem Wettbewerb aus, wann erkenne ich, das nur mein Knowhow gefragt ist, aber kein Auftrag kommen wird?
Ich erwarte hierauf selbstverständlich keine Antwort!
Viele Grüße nach Köln
Helmut Nöker
Vielen Dank für die anerkennenden Worte!
Das ist mal ein gut geschriebener Post, besten Dank. Muss man erstmal verarbeiten. Generell finde ich die Seite gut zu lesen und leicht zu verstehen.