LARS STREMPEL

Theil 4: Liebesbriefe vor 150 Jahren: „Mein theuerstes Thereschen!“

Liebesbriefe - Mein theuerstes Thereschen

Thereschen hatte viele Verehrer

 Aufgezeichnet von Hubert Schuster im Jahr 1970

Aber auch Adolphs Liebesbriefe werden banger, beschwörender und enden in wehmütiger Resignation, als wiederum Briefe in anderem Format und in anderer Handschrift erscheinen.

Tief aufatmend lehnte ich mich in meinen Sessel zurück. Der letzte Brief des kleinen Theresia Rape - Thereschen - LiebesbriefeBündels war gelesen, ein lan­ger Sonntag-Nachmittag und Abend verstrichen. Meine Uhr rückte auf Mitternacht vor, die rechte Zeit, um Geister zu beschwören. Noch einmal zogen sie alle in Gedanken an meinem Auge vorbei, Menschen wie ich, deren Gefühle und Regungen ich nachempfunden und von denen ich einen Teil ihres Lebensweges miterlebt habe. Die Hände, die die Feder geführt haben, sind längst verdorrt, die Menschen, die da schrieben und lasen, die hofften und bangten, die in höch­ster Freude jauchzten und in tiefstem Liebesleid litten, sind dahin, ihre Gräber verweht und vergessen, aber ihre Briefe liegen fast hundert Jahre danach noch einem späten Nach­fahren vor.

Sorgsam und fast liebkosend schlang ich das blaß-blaue Seidenband wieder um das kleine Bündel und legte es sanft zurück in die Lade des alten Sekretärs, an dessen Vorder­front die Jahreszahl 1726 eingeschnitten ist.

Wer war Thereschen?

Dem Chronisten bleibt nun nur noch zu berichten, daß Thereschen sich von keinem dieser eifrigen Werber hat heimführen lassen. Der Mann, der sie später ehelichte, hieß Mutter von Hubert Schuster: Elisabeth van de Lücht - Liebesbriefe„Bernhard“. Er war ein Tuchfabrikant aus Metelen bei Burg­steinfurt im nördlichen Westfalen und von ihm existieren keine Briefe. Da Thereschen, wie ich erfahren habe, ein „Goldfuchs“ war, ist die Ehe keine Mesalliance (unglückliche Verbindung von Partnern, die nicht zueinander zu passen scheinen) geworden.

Aber das Bild des Kindes dieser Ehe, einer Tochter, hängt in fein geschnitztem Elfenbeinrahmen über meinem Sekretär. Ihre runden Arme stecken in den Ärmeln einer Seidenbluse mit hohem Halsbörtchen und ihr Haar ist zu einem Chignon geknotet und hängt an den Schläfen in krausen Löckchen herab, und ich stelle mir vor, daß so Thereschen in ihrer Jugend ausgesehen haben mag. Aber auch das junge Mäd­chen auf diesem Bilde ist längst gestorben. Lebte es noch, so würde es heute die Großmutter meiner Kinder sein.

Hubert Schuster schrieb die Artikel Liebesbriefe - Mein theuerstes Thereschen

 

 

 

Verfasser:

Hubert Schuster
* 1910
† 1983

 

Liebesbriefe – Vier Artikel zu „Mein theuerstes Thereschen!“

Theil 1: Liebesbriefe vor 150 Jahren: „Mein theuerstes Thereschen!“
Theil 2: Liebesbriefe vor 150 Jahren: „Mein theuerstes Thereschen!“
Theil 3: Liebesbriefe vor 150 Jahren: „Mein theuerstes Thereschen!“
Theil 4: Liebesbriefe vor 150 Jahren: „Mein theuerstes Thereschen!“

MENÜ