Zehn Phasen auf dem steinigen Weg vom Existenzgründer zu einem erfolgreichen Unternehmen
Ein altes Sprichwort sagt: „Aller Anfang ist schwer!“ Unternehmer, StartUps, Existenzgründer wissen: Ja! Aller Anfang ist schwer. Aber fast noch schwerer ist es, aus einem StartUp und jungen Unternehmen ein erfolgreiches Unternehmen zu machen, das sich langfristig am Markt behaupten kann. Es ist ein ewiges Auf und Ab, ein steiniger Weg, auf dem viele Fallstricke lauern. Dennoch boomt die StartUp-Szene der Existenzgründer wie selten. Städte wie Berlin und Köln wetteifern um Jungunternehmer.
Als Unternehmensberater für Existenzgründer und als Mentor bei NUK – Neues Unternehmertum Rheinland e.V. habe ich viele gute Ideen und viele engagierte Gründer kennen gelernt. Fast alle haben zumindest eine Vision vor Augen, wie sie ihr Unternehmen gründen und was sie damit erreichen wollen. Aber nicht allen gelingt der Sprung in die Selbständigkeit. Nach gutem Start kommen vielleicht die ersten Schwierigkeiten. Plötzlich will der Unternehmer etwas Neues machen. Bloß nicht die Probleme lösen. Lieber Augen zu und auf ins nächste Abenteuer. In der Unternehmensberatung muss ich dann oft den Spielverderber geben, den Existenzgründer von seinen Fantasien abbringen und ihm klar vor Augen führen, dass er es mit keiner Idee weit bringen wird, wenn er sich statt mit der Bewältigung von Schwierigkeiten, wie sie in einem Unternehmen nun einmal an der Tagesordnung sind, immer wieder mit neuen Hirngespinsten beschäftigt.
Am Beispiel einer Existenzgründerin, die ich von Anfang an begleite, schildere ich in zehn Phasen die Entwicklung von der Existenzgründerin zur Unternehmerin. Die Geschichte von Lena Müller* ist ein Beispiel aus der Realität, vielleicht nicht gerade mit Goldgräberstimmung, nicht vergleichbar mit (vermeintlichen) Success-Stories wie Zalando oder Google, aber trotzdem oder vielleicht gerade deshalb durchaus ermutigend.
Phase 1: Das StartUp und die Geschäftsidee. Oder: Habe ich den Mut zum Jung-Unternehmer?
Oktober 2010 bei start2grow in Dortmund. Lena Müller war noch unentschlossen. Von ihrer Geschäftsidee begeistert, aber auch mit vielen Zweifeln und Unkenntnis über das, was kommen würde. Sollte sie wirklich die Geborgenheit der Festanstellung verlassen und sich ins Ungewisse stürzen? Wir trafen uns wieder. Wir gewannen Vertrauen. Aus der Geschäftsidee entstand ein Geschäftsmodell und zuletzt ein tragfähiges Geschäftskonzept, niedergeschrieben in einem Businessplan und mit Zahlen in einer ausführlichen Finanzplanung.
Lena Müller pflegt in Phase 1 gute Kontakte zum Unternehmensberater.
Phase 2: Existenzgründung – jetzt ist Lena Müller ein Unternehmer. Oder?
Aufregend: Lena Müller hat ihr StartUp beim Gewerbeamt angemeldet. In einem Coworking-Space wird ein voll ausgestatteter Arbeitsplatz mit Infrastruktur angemietet. Hier können Arbeitsplätze nach zeitlichem Bedürfnis gebucht werden und sind deshalb kostengünstig. Ein tolles Logo, die gelungene Webseite und Flyer sollen die zukünftige Kundschaft von der Leistungsfähigkeit des neuen Dienstleistungsbetriebes überzeugen. Zur Eröffnung bei Sekt und Fingerfood sind zahlreiche Gäste erschienen und übermitteln ihre Glückwünsche.
Wie mag es der Jung-Unternehmerin am nächsten Tag wohl gehen? Was empfindet Lena Müller am neu eingerichteten Schreibtisch? Welche Aufgaben nimmt sie sich vor? Sie braucht jetzt Aufträge – aber noch kennt sie niemand.
Lena Müller pflegt in Phase 2 gute Kontakte zum Unternehmensberater.
Phase 3: Begeisterung. Erste Erfolge stellen sich bei dem Jung-Unternehmer ein
Phantastisch! Lena Müller ist eine starke Frau mit natürlicher Begabung zum Unternehmer. Sie versteht es, auf Menschen zuzugehen, ist freundlich, energiegeladen, ein echtes „Stehaufmännchen“. Sie lässt sich nicht unterkriegen, kommt bei ihren Kunden gut an, zeigt Präsenz in den verschiedensten Netzwerken und erhält tatsächlich erste Aufträge. Sie ist begeistert. Das Geschäft und die Unternehmerin scheinen zu funktionieren.
Wenn da nur nicht die Sache mit dem Geld wäre… Denn Aufträge bedeuten nicht, dass die Einnahmen nur so sprudeln. Mitnichten. Lena Müller ist über jeden noch so kleinen Auftrag froh – egal zu welchem Preis. Die ersten Kunden zollen Anerkennung. Die Jung-Unternehmerin ist motiviert, arbeitet und arbeitet. Es macht ihr Spaß. Sie erscheint sogar in der regionalen Presse.
Lena Müller pflegt in Phase 3 gute Kontakte zum Unternehmensberater.
Phase 4: Eine erste (verdeckte) Krise im jungen Unternehmen wird ausgesessen
Es geht weiter. Im Unternehmen wird gearbeitet, was das Zeug hält. Die Kunden lohnen es mit Aufträgen. Es gibt offensichtlich Bedarf an der Dienstleistung. Und die Persönlichkeit der jungen Unternehmerin trägt das Seine zum Erfolg bei. Aber…
Lena Müller friert in Phase 4 den Kontakt zum Unternehmensberater ein.
Der bisher recht offene Kontakt zum Unternehmensberater wird – einer Nachttischlampe gleich – nur noch zu bestimmten Zeiten (Themen) „eingeschaltet“. Elementaren Fragen zur finanziellen Situation weicht Lena Müller aus. Die angeforderten betriebswirtschaftlichen Auswertungen (BWA) zu den Zahlen des jungen Unternehmens bleiben geheim. Als Unternehmensberater habe ich den Verdacht: Da stimmt was nicht. Arbeit scheint es genug zu geben.
Ich muss mich gedulden. Der Leidensdruck von Lena Müller ist noch nicht groß genug. Sie wird schon kommen.
Phase 5: Ernüchterung. Die Kunden beuten den Jung-Unternehmer aus – Reumütig wird der Unternehmensberater wieder eingeschaltet
„Mit Zahlen hab ich’s nicht so.“ Das höre ich besonders oft von Unternehmerinnen. Ich kann und will das um alles in der Welt nicht akzeptieren. Lena Müller, durchaus befähigt mit Zahlen umzugehen, blendete die Finanzen einfach aus. Ihr war es am Anfang egal, wie viel Geld sie den Kunden berechnete. Ihr war nur der emotionale Erfolg wichtig, nämlich am Markt wahrgenommen und akzeptiert zu werden. Sie wusste nicht genau, wie die Preise zu kalkulieren sind und wollte es auch gar nicht wissen. Aber der finanzielle Leidensdruck nahm zu. Allmählich verstand sie, dass es so nicht weitergehen konnte.
Lena Müller schaltet in Phase 5 den Unternehmensberater wieder mehr ein.
Nun endlich begann das Ringen um die richtige Preisfindung, um ein Pricing und um die Preisargumentation beim Kunden. Weg vom Mitgefühl („Aber der Kunde hat doch nicht so viel Geld, der kann nicht so viel bezahlen“), hin zur Nutzenargumentation: „Welche Vorteile hat der Kunde durch Ihre Tätigkeit? Der Nutzen des Kunden übersteigt das, was Sie ihm an Geld abnehmen um ein Vielfaches. Sie stellen dem Kunden Ihr umfangreiches Wissen und Ihre Kompetenz zur Verfügung. Das muss dem Kunden was wert sein!“
Phase 6: Es klappt! Die Erfolgsstory nimmt ihren Lauf
Lena Müller wird zum erfolgreichen Unternehmer. Die Preisargumentation mit der Nutzenargumentation fruchtet bei den Kunden. Auch Bestandskunden sehen das ein. Sie sind ja nicht blöd und wussten genau, dass die Unternehmerin ihre Leistungen unter Preis vermarktete. Aber so sind wir in Deutschland – leider. Das blenden wir aus. Geiz ist geil! Wir sind stolz, dem Unternehmer den letzten Preis abgehandelt zu haben. Kommunen und öffentlichen Auftraggeber sind die übelsten. Dort herrscht kurzfristiges Denken und Handeln. Achtung, das rächt sich meist, auch für Kunden, auch für die öffentlichen Auftraggeber.
Lena Müller nutzte fortan ein intelligentes Pricing und wandte geschickt und überzeugend die Nutzenargumentation bei Preisverhandlungen an. Die Kunden vertrauten ihr weiterhin Aufträge an, aber zu erheblich besseren Preisen.
Lena Müller legt in Phase 6 dem Unternehmensberater stolz die betriebswirtschaftlichen Daten offen.
Phase 7: Langeweile. Im Unternehmen kehrt Routine ein
So sind junge Unternehmer: Kaum läuft der Laden, da wird es ihnen langweilig. Sie suchen nach Alternativen. Selbstverwirklichung ist angesagt.
Anstatt mit einer erfolgsorientierten Strategie das Unternehmen in der Nische weiter auszubauen, die vorhandenen Stärken zu nutzen und die Kernkompetenzen weiterzuentwickeln, hält Lena Müller nach Alternativen Ausschau. Fast ein halbes Jahr verzettelt sie sich durch Weiterbildung in einem zwar naheliegenden, aber weniger zur Geschäftsstrategie passenden Dienstleistungsbereich.
Leider ist dieser Fall für junge Unternehmer typisch. Ihnen fehlt noch die Reife zum echten Unternehmertum. Denn der wahre Unternehmer hat nicht sich, sondern sein Unternehmen im Sinn. Er ist stets bemüht, sein Unternehmen weiterzuentwickeln. Er arbeitet am Unternehmen und steigert permanent den Unternehmenswert. Nur so, mit seinem Unternehmen, entwickelt auch er sich. Dieser Typ Unternehmer ist weg vom Ego, weg von der Selbstverwirklichung.
Lena Müller geht in Phase 7 dem Unternehmensberater wieder aus dem Weg.
Phase 8: Krise. Das Dienstleistungsgeschäft von Lena Müller bricht erneut ein.
Plötzlich ein Anruf beim Unternehmensberater: „Was habe ich falsch gemacht? Die neue Webseite steht immer noch nicht. Es kostet mich so viel Zeit. Jetzt habe ich das ersehnte Zertifikat der Weiterbildung. Ich habe bis August nicht halb so viele Einnahmen wie im letzten Jahr, und die Kosten sind gestiegen. Ich habe die Kunden vernachlässigt. Ich sitze täglich im Büro und komme nicht so recht voran, weiß nicht wie es weitergehen soll.“
Lena Müller hat in Phase 8 erneut Leidensdruck; der Unternehmensberater ist wieder hoffähig.
Phase 9: Einsicht. Die Rückbesinnung zum echten Unternehmer und Unternehmertum
Das war ein Reifeprozess. Die Unternehmerin ist wieder offen. Strategie ist angesagt. Die Stärken der Unternehmerin müssen genutzt und Innovationen und Lösungen für die brennendsten Probleme der Kunden entwickelt werden. Die Strategie heißt „spitz statt breit“. Verzettelung ist verboten. Die Marktnische wird systematisch angegangen. Jetzt denkt und handelt Lena Müller ausschließlich in Kundenvorteilen und löst die Probleme der Kunden. Es wird hart gearbeitet. Erst an der Strategie, dann an den verbesserten Dienstleistungsprodukten und zuletzt an einem anspruchsvollem Umsetzungskonzept mit Content-Marketing und Netzwerken. Als echte Unternehmerin pflegt Lena Müller immaterielle Werte, wie Ideen, Beziehungen, Denkweisen und Wissen. Mit dem Ziel, das echte Unternehmer treibt: Seinen Kunden immer wieder Vorteile zu verschaffen.
Lena Müller nutzt in Phase 9 den Kontakt zum Unternehmensberater, wo immer es geht.
Phase 10: Erfolg. Die Früchte der eigenen Arbeit im und am Unternehmen ernten.
Lena Müller hat es kapiert: Ein Unternehmen mit klarer Strategie und konsequenter Umsetzung funktioniert – immer vorausgesetzt, dass das Angebot marktfähig ist. Die Aufträge kommen weiterhin, aber jetzt verdient die Unternehmerin auch Geld damit. Es bleibt etwas hängen, sie kann die Früchte ihrer Anstrengungen ernten. Auch vor Zahlen „fürchtet“ sie sich nicht mehr. Sie hat gelernt, dass diese untrennbar mit ihrem Geschäft verbunden sind und dass sie sie kennen muss, um weiter konsequent an ihrer Strategie, ihrer Vision, ihren Zielen zu arbeiten. Echte Unternehmer haben Erfolg. Auch wenn dieser meist mühselig erarbeitet werden muss.
Lena Müller braucht ab Phase 10 den Unternehmensberater nicht mehr – hoffentlich.
Gute Unternehmer sind große Menschen – Unternehmertum ist sehr anspruchsvoll
Leidenschaft, der Glaube an sich und die eigene Idee, Fleiß, Können, Konsequenz, Fokussierung, Überzeugungskraft, Emotionalität, Netzwerken, Verantwortungsbewusstsein – all das sind Unternehmer-Eigenschaften, wie sie Lena Müller vereint. Sie wurde erfolgreich, wurde mit ihren Dienstleistungen bekannt und erzielte durch geschicktes Marketing und Vertrieb immer wieder neue Aufträge. Das Geld floss. Die Jung-Unternehmerin konnte sich einen schönen Mittelklassewagen zulegen und ist fortan mobil. Das Unternehmen ist gut in der Nische positioniert und entwickelt sich.
Haben Sie es gemerkt? Es geht nicht um Lena Müller und ihre Selbstverwirklichung. Es geht immer um das Unternehmen von Lena Müller bzw. um Ihr Unternehmen. Der Unternehmer entwickelt kontinuierlich sein Unternehmen. Der ideale Unternehmertyp arbeitet nicht in, sondern an seinem Unternehmen. Das Faszinierende ist, so haben wir es am Fall Lena Müller gesehen, dass der Unternehmer sich und seine Person mit dem Unternehmen entwickelt. So wird er zu einem großen Menschen. Das, so meine ich, ist viel mehr als „Selbstverwirklichung“.
Das gilt für den Unternehmer – auch für Sie?
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* Der Name ist frei erfunden.
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